Grünen-Chef Omid Nouripour geht davon aus, dass die iranische Fußball-Nationalmannschaft ihr Auftaktspiel bei der WM in Katar am Montag zur Solidarisierung mit den Demonstranten in ihrer Heimat nutzen wird.
«Bis auf zwei Spieler äußerten sich bisher alle kritisch gegenüber dem Regime, keiner singt die Nationalhymne mit oder freut sich nach Toren», sagte er im «kicker»-Interview. Das Turnier biete eine Bühne, auf der «diese Mannschaft sehr viel bewegen und sehr viel Aufmerksamkeit für die Notlage der Leute und die Proteste erzeugen kann» – ohne dass die Staatsführung in Teheran viel dagegen tun könnte. Vor diesem Hintergrund halte er auch Forderungen nach einem Turnierausschluss der iranischen Auswahl für falsch.
«Im Iran ist Fußball die Ablenkung von einer Religion, die vom Staat in allen Facetten aufgezwungen wird», sagte Nouripour. «Die Leute protestieren auch gegen die internationale Isolation, in die das Regime das Land über Jahrzehnte geführt hat. Die Nationalmannschaft ist immer wieder ein Fenster nach draußen.»
Gruppenkonstellation ist politisch brisant
Die Konstellation in der Gruppe B, wo der Iran zum Auftakt am Montag auf EM-Finalist England (14.00 Uhr/ZDF und MagentaTV) und danach auf Wales und die USA trifft, ist politisch brisant. «Sie spielen eigentlich nur gegen Länder, die vom Regime zu Systemfeinden gemacht wurden», sagte Nouripour. «Jede Geste, jeder Handshake, jede Umarmung wird ein großartiges Zeichen gegen die Politik der Regierung und für eine Weltoffenheit des Landes sein. Schon bei der WM 1998 gab es das Spiel Iran gegen die USA mit einem gemeinschaftlichen Mannschaftsfoto. Ein besseres Friedenssymbol gibt es doch nicht.»
Im Iran protestieren seit Mitte September Menschen gegen die Regierung und das islamische Herrschaftssystem. Auslöser der Demonstrationen, die immer wieder gewaltsam niedergeschlagen werden, war der Tod der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Mahsa Amini in Polizeigewahrsam. Sie war wegen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden.