Der Traum vom Finale in Wembley vor 87.200 Zuschauern lebt bei den deutschen Fußballerinnen – ein kleines Endspiel steht aber bereits zum EM-Auftakt an.
In die erste Gruppenpartie gegen Vize-Europameister Dänemark am Freitag (21.00 Uhr/ZDF und DAZN) gehen die DFB-Frauen gleich mit viel Druck. Wer in diesen Tagen in die Gesichter der Spielerinnen schaut, sieht jedoch vor allem Vorfreude und Optimismus. Ein frühzeitiges Turnier-Aus – dieses Schreckensszenario spricht natürlich niemand aus.
«Wir wissen, was wir können und wollen unseren Plan durchziehen», sagte Martina Voss-Tecklenburg vor dem 500. Länderspiel der Frauen-Nationalmannschaft. «Es wird eine große Aufgabe für uns, aber wir werden unsere ganz Energie und unseren Willen ins Spiel bringen.» Die Bundestrainerin hatte – mit Corona-Einschränkungen – seit dem WM-Viertelfinal-Aus 2019 drei Jahre Zeit, ihr Team auf diese EM vorzubereiten. Und zuletzt noch drei Trainingslager.
DFB-Frauen auf dem Weg zurück in die Weltspitze?
Dass akribisch gearbeitet wurde, spricht der 54-Jährigen niemand ab. Die Gruppenkonstellation macht ihre Aufgabe nicht eben einfach: Vier Tage nach dem Spiel gegen Dänemark geht es ebenfalls im Londoner Stadtteil Brentford gegen den Titelkandidaten aus Spanien, der aber erstmal den Kreuzbandriss von Weltfußballerin Alexia Putellas wegstecken muss. Letzter Vorrundengegner für den Rekord-Europameister aus Deutschland, der achtmal den Titel holte, ist Finnland am 16. Juli.
Voss-Tecklenburgs Assistentin Britta Carlson sieht die DFB-Frauen wieder Richtung Spitzenklasse unterwegs – obwohl der internationale Vergleich durch die verpassten Olympischen Spiele zuletzt fehlte. «Titelreife war immer unser Anspruch. Wir haben jetzt gesehen, dass wir auf einem guten Weg sind», sagte die 44 Jahre alte frühere Nationalspielerin. «Das ist vielleicht eine Floskel, aber ich denke, dass wir eine echte Turniermannschaft sind.» Natürlich weiß auch sie nur zu gut, «dass das erste Spiel hier sehr, sehr wichtig für uns ist.»
Das 7:0 im Testspiel zuletzt gegen die Schweiz hat dem Team wieder jene Zuversicht eingeflößt, die bei der 2:3-Niederlage in Serbien in der WM-Qualifikation flöten gegangen war. Dass das Zusammenfinden bisweilen ein schmerzhafter Prozess war, zeigt die gerade angelaufene Langzeit-TV-Dokumentation «Born for this – mehr als Fußball» über die Mannschaft: Da flossen schon mal Tränen nach Ansprachen, da fluchte Voss-Tecklenburg mächtig am Spielfeldrand, da verlangte die Mannschaft mehr Training auf dem Platz, da wehrte sich Lena Oberdorf gegen die ständigen taktischen Anweisungen der Bundestrainerin mit den Worten: «Lass mich in Ruhe! Lass mich spielen!»
Stammelf steht – Fragezeichen hinter der Abwehr
Die erst 20 Jahre alte Oberdorf vom VfL Wolfsburg spielt als Nummer 6 eine ganz zentrale Rolle. Die Stammelf steht praktisch: Mit Sara Däbritz und Lena Magull im offensiven Mittelfeld, mit Bundesliga-Torschützenkönigin Lea Schüller, ihrer Bayern-Kollegin Klara Bühl und der erfahrenen Svenja Huth im Angriff. Gerade in der Offensive hat Voss-Tecklenburg unter anderem in Laura Freigang, Jule Brand, Tabea Waßmuth und Kapitänin Alexandra Popp, die in der Vorbereitung zeitweise wegen Corona ausfiel, noch viele Alternativen.
Die große Frage ist, wie sich die wenig eingespielte Viererkette vor Torhüterin Merle Frohms im mit rund 13.000 Zuschauern ausverkauften Stadion schlägt: Abwehrchefin Marina Hegering war lange verletzt und hat in der Bundesliga-Rückrunde nur ein Spiel bestritten. Kathrin Hendrich ist die zweite Innenverteidigerin, außen werden wohl Giulia Gwinn und Felictas Rauch spielen. Dänemark stürmt unter anderem mit Europas zweimaliger «Fußballerin des Jahres», der früheren Wolfsburgerin Pernille Harder vom FC Chelsea.
Bange machen gilt jedoch nicht. «Wir haben eine sehr, sehr gute Energie bei uns im Team», betonte Gwinn vom FC Bayern. Und die Frankfurterin Freigang sagte: «Das Wichtigste ist, dass wir überzeugt sind von unserer eigenen Qualität – und das sind wir auf jeden Fall. Unser Bestes geben wir sowieso immer.»