In Spanien sagt man, dass kaum ein anderer Trainer Fußball-Profis so gut anstacheln und auf den jeweiligen Gegner einstellen kann wie Unai Emery.
Der Coach des FC Villarreal, des nächsten Champions-League-Gegners des FC Bayern, wird von Medien und Kollegen nicht nur als Motivations-Guru, sondern auch als akribisch, fleißig, detailversessen und als «geborener Sieger» beschrieben. Vor dem Viertelfinal-Hinspiel am Mittwochabend (21.00 Uhr/DAZN) im kleinen Estadio La Cerámica ist der haushohe Favorit aus München aber nicht nur wegen des gewieften Mannes aus dem Baskenland gut beraten, den Außenseiter nicht zu unterschätzen.
Europa-League-Sieger 2021
Das «Gelbe Unterseeboot», wie der Club aus dem Osten Spaniens seit den 1960ern wegen der Trikotfarbe und des Beatles-Superhits «Yellow Submarine» genannt wird, gewöhnt sich nämlich langsam an große Siege gegen große Namen. Im vorigen Mai besiegte die Emery-Truppe im Danziger Finale der Europa League Manchester United und holte so den ersten echten Titel der 99-jährigen Vereinsgeschichte. Zuvor hatte man nur zwei Titel im alten Intertoto Cup und eine Meisterschaft in der 3. spanischen Liga feiern dürfen.
Noch nie war übrigens ein Europapokal in eine so kleine Stadt wie Villarreal gegangen, die nur gut 50.000 Einwohner zählt. «Ein Dorf erobert Europa», titelte damals die renommierte Zeitung «El País». Der gute Lauf setzte sich in dieser Saison in der Königsklasse fort. Nachdem die Spanier in der Gruppenphase die starken Italiener von Atalanta Bergamo sowie Young Boys Bern hinter sich gelassen hatten, war im Achtelfinale kein Geringerer als Juventus Turin dran. Der Titelfavorit wurde nach einem 1:1 im Hinspiel in Villarreal dann in Turin mit 3:0 souverän aus dem Wettbewerb gefegt.
Nationalstürmer Gerard Moreno hofft, dass man gegen die Bayern «wieder Geschichte schreiben» wird. «Wir wissen natürlich, dass uns ein Favorit zugelost wurde, eine der besten Mannschaften der Welt. Aber gegen Juve dachten auch alle, wir würden untergehen», sagte der 29-Jährige, der mit dem Niederländer Arnaut Danjuma (25) und Jung-Nationalspieler Yéremy Pino (19) eine blitzschnelle und sehr gefährliche Sturmreihe bildet. Der Ex-Dortmunder Paco Alcácer kommt da nur manchmal als Einwechselspieler zum Zuge.
Emery voller Vorfreude
«Wir haben große Lust auf das, was da auf uns zukommt», sagte Emery vor der misslungenen Generalprobe am Samstag im Liga-Duell bei UD Levante (0:2). Man stehe vor «großen Spielen gegen große Gegner» und wolle dabei gut aussehen, sagte der Coach. Der Tabellen-Siebte der Primera División hat zwar drei der vier vergangenen Liga-Spiele verloren – unter anderem gegen zwei Abstiegskandidaten. Aber «gegen Bayern wird es ein ganz anders Spiel sein», versicherte Emery.
Im La Cerámica, das nur 23 500 Zuschauer fasst, aber immerhin der halben Gemeinde Platz bietet, werden die Fans am Mittwoch wieder aus voller Kehle die Club-Hymne singen. Die beginnt mit «Die Hoffnung eines ganzen Dorfes …». Eine Hoffnung, die nun in erster Linie auf Emery ruht. Zwischen 2014 und 2021 holte er nämlich nicht weniger als elf Titel, darunter drei Mal die Europa League mit dem FC Sevilla. Hinter Pep Guardiola und Rafael Benítez ist Emery der aktive spanische Trainer mit den meisten Titeln.
Etliche Nationalspieler
Aber die Hoffnung ruht auch auf einem guten Kader. Neben Moreno, Pino und Danjuma zeichnen sich Nationalspieler wie Torwart Gero Rulli, Abwehrmann Juan Foyth und Spielmacher Giovani Lo Celso (alle Argentinien), Stürmer Boulaye Dia (Senegal) und Innenverteidiger Pau Torres aus, der bei «La Roja» zur Stammelf gehört. Erstklassige Akteure sind zudem im Mittelfeld die Franzosen Francis Coquelin (ein Ex-Freiburger) und Étienne Capoue sowie die technisch extrem starken Spanier Dani Parejo und Manu Trigueros. Hinten räumt der eisenharte Raúl Albiol mit 36 immer noch kompromisslos ab.
La Cerámica wird am Mittwoch ausverkauft sein. Am Sonntag waren nur noch gut 200 Karten zu haben. Die bescheidenen Villarrealenses, die vor allem vom Orangenanbau und von der Keramikindustrie leben, wollen gegen die Bayern nicht eine Sekunde lang mit dem Anfeuern aufhören, auch wenn ihr Team zurückliegen sollte – das versichert zumindest Toni. «Wir sind sture Dorfbewohner, wir geben nie auf», sagte der 70 Jahre alte Fan der Deutschen Presse-Agentur.