Frank Schmidt sitzt in einer Loge des heimischen Stadions und rührt angeregt in seinem Tee. Die Vorfreude sei «definitiv eine andere» als in den vergangenen Jahren, sagt der Trainer des 1. FC Heidenheim der Deutschen Presse-Agentur.
Mit dem Auswärtsspiel beim VfL Wolfsburg beginnt für die Schwaben am Samstag (15.30 Uhr/Sky) ihre erste Saison in der Fußball-Bundesliga. «Wir wissen nicht, was uns genau erwartet. Und ich liebe Neues», sagt der Coach. «Jedes Spiel wird für uns etwas Besonderes sein.»
Besonders ist auch die Beziehung zwischen Schmidt und seinem Arbeitgeber. Seit fast 16 Jahren ist der gebürtige Heidenheimer und frühere Spieler nun schon Trainer des Clubs. Er begann mit ihnen in der Oberliga, jetzt betreut er sie in der Eliteklasse.
«Ich lebe in der Gegenwart»
Im September wird er den Ex-Freiburger Volker Finke voraussichtlich als Coach mit der längsten Amtszeit bei einem Club im deutschen Profifußball ablösen. «Ehrlich gesagt bedeutet er mir nichts und ich bilde mir auch nichts darauf ein», sagt der demütige, mitunter etwas knorrige Schmidt über den Rekord. «Ich bin heute schon froh, wenn der Tag vorbei ist. Ich lebe in der Gegenwart.»
In der gilt es, sich für die wahrscheinlich schwierigste Mission seiner bisherigen Laufbahn zu rüsten. «Am Ende drinzubleiben wäre höher zu bewerten als der Aufstieg. Das wäre ein Mega-Erfolg», sagt Schmidt. Nicht wenige glauben, dass Zweitliga-Meister Heidenheim und Mitaufsteiger SV Darmstadt 98 am Saisonende direkt wieder runtermüssen.
Es werde Gegner geben, «gegen die wir chancenlos sein werden», ahnt auch Schmidt. «Das kannten wir in den letzten Jahren so nicht. Es könnte beispielsweise auch passieren, dass wir dreimal nacheinander verlieren.» Dann gelte es, zusammenzuhalten. «Dann muss der Kitt stark sein», sagt er. «Raum- und Zeitdruck verändern sich gravierend, weil die individuelle Qualität höher ist», gibt er seinen Spielern schon mal mit auf den Weg. «Fehler werden schneller bestraft und die Öffentlichkeit wird mehr Einfluss nehmen und Druck ausüben.»
Klingt alles nicht besonders rosig. Doch die Heidenheimer wissen auch um ihre Stärken. «Geschlossen und mit Demut, aber ohne sich zu beschränken» – so wollen sie laut Schmidt das Abenteuer Bundesliga angehen. «Geht nicht gibt’s nicht» sei schon seit Jahren ihr Motto.
Zuhause eine Macht
Gerade zuhause, in ihrer gerade mal 15.000 Zuschauer fassenden Arena auf der Ostalb, sind sie schwer zu knacken. In der vergangenen Saison holten sie dort 40 ihrer insgesamt 67 Punkte. «Natürlich wollen wir wieder zur Heimmacht werden», sagt der Coach. Verbunden vermutlich auch mit der Hoffnung, dass das Gros der Gegner der Reise an die Brenz nicht gerade entgegenfiebern wird. Im rund 50.000 Einwohner zählenden Heidenheim wartet weniger Glamour als harte Arbeit.
Ein wesentlicher Unterschied im Vergleich zu den Vorjahren ist, dass der Club diesmal alle Leistungsträger wie Torjäger Tim Kleindienst oder Kapitän Patrick Mainka halten konnte. «Im Zuge meiner letzten Vertragsverlängerung bis 2027 hatte ich den Auftrag erhalten, dafür zu sorgen, dass der FCH ein etablierter Zweitligist ist, der Transfererlöse erzielt und dann wieder neue, unentdeckte Spieler weiterentwickelt», erklärt Schmidt. «Jetzt sind wir aufgestiegen. Da war es mir wichtig, ein Signal intern und an alle da draußen zu senden.»
Gekommen um zu bleiben, das ist die Devise. Und sich dabei selbst treu bleiben. Im Umgang untereinander hätten sich die Heidenheimer in den vergangenen 20 Jahren nicht verändert, sagt Schmidt. Auch er als Mensch «überhaupt nicht», als Trainer aber «mit Sicherheit». Er habe gelernt, «keine Entscheidung mehr aus der Emotion heraus zu treffen», erklärt er. «Als Novize habe ich auch mal direkt nach einem Spiel gesagt, was nächstes Mal anders werden muss. Inzwischen schlafe ich eine Nacht drüber.» Er sei «nach wie vor ein ungeduldiger Mensch, aber ruhiger und erfahrener geworden».
Er hätte «auch unbefristet verlängern können, wenn er gewollt hätte», sagte Vorstandschef Holger Sanwald einmal, nachdem Schmidt 2021 seinen neuen Kontrakt unterzeichnet hatte. Schmidt und Sanwald – das ist seit zwei Jahrzehnten ein eingespieltes Duo in Heidenheim. Und ein baldiges Ende ist nicht in Sicht. Selbst ein Abstieg würde sie wohl nicht entzweien. «Wir sind stolz darauf, wie wir uns entwickelt und was wir erlebt haben», sagt der Trainer. Nun beginnt das nächste Kapitel.