Richtig glücklich wirkte Edin Terzic nicht. Die vergebliche Hoffnung auf einen Patzer des noch immer einen Punkt besseren Tabellenführers aus München dämpfte die Freude des Fußball-Lehrers über das 5:2 (4:0) von Borussia Dortmund wenig später gegen Mönchengladbach.
Doch auch der 6:0-Kantersieg der Bayern gegen den FC Schalke änderte nichts an der Entschlossenheit des BVB-Trainers. «Ich glaube, wir haben heute eine Botschaft geschickt. Dass wir noch immer da sind, dass wir noch immer jagen und dass wir bereit sind, bis zum Schluss alles zu tun», kommentierte der 40-Jährige. Kämpferisch fügte er an: «Die Bayern müssen Gas geben, wir werden Gas geben.»
Der BVB scheint für den Titel-Showdown mit noch zwei Spielen in Augsburg und gegen Mainz gerüstet. Vor allem in der ersten halben Stunde mit Toren von Donyell Malen (5.), Jude Bellingham (18./Foulelfmeter) und Sébastien Haller (20./32.) spielte der Tabellenzweite wie schon eine Woche zuvor gegen Wolfsburg (6:0) groß auf. Die Dortmunder gaben dem Meister der vergangenen zehn Jahre aus München wenig Anlass, sich im Fernduell mit dem Verfolger allzu sicher zu fühlen.
Titelhoffnung lebt weiter
Angesichts des schwereren Restprogramms der Bayern mit Spielen gegen Leipzig und in Köln lebt die Dortmunder Hoffnung auf eine Schwäche des Titelrivalen und eine Wachablösung weiter. «Wir werden jetzt nicht jeden Tag beten, dass da etwas passiert. Aber wir können die Wahrscheinlichkeit erhöhen. Das geht am besten, wenn wir die letzten beiden Spiele gewinnen. Wir sind noch nicht fertig», sagte Terzic.
Dass seine Mannschaft nach der sicheren 4:0-Führung durch die Gegentreffer von Rami Bensebaini (75./Foulelfmeter) und Lars Stindl (85.) noch für kurze Zeit ins Wanken geriet, konnte Terzic nach dem elften Heimsieg in Serie verschmerzen.
Weniger moderat als der Trainer reagierte Julian Brandt auf diese Schwächephase. Das spricht für die gewachsene Fähigkeit des Teams zur Selbstkritik. «In der 2. Halbzeit hat es mich ein bisschen abgefuckt, da haben wir es schlendern lassen, da haben wir leichte Stuttgart-Vibes bekommen», klagte der Nationalspieler mit Bezug auf das 3:3 vor wenigen Wochen beim VfB, als die Borussia gegen zehn Stuttgarter eine 2:0-Führung verspielt hatte.
Meistens half jedoch die famose Offensive, solche Schwächen zu kompensieren. Kein Team in den europäischen Topligen traf nach dem Ende der Winterpause häufiger als der BVB, der in 17 Spielen beeindruckende 53 Tore erzielte. Vor allem der von vielen Fans bereits als Fehleinkauf abgeschriebene Malen wirkt wie von schweren Lasten befreit. Mit neun Toren und vier Assists gehört der 24 Jahre alte Niederländer in diesem Jahr plötzlich zu den besten Scorern der Liga. «Ich träume von der Meisterschale. So spielen wir auch», sagte der im Sommer 2021 aus Eindhoven verpflichtete schnelle Angreifer.
Weil auch Haller (8 Tore) und Karim Adeymi (6) zuletzt deutlich aufsteigende Form bewiesen, kann der BVB weiter auf den ersten Meistertitel seit 2012 hoffen. «Das ist genau das, was wir uns vorgestellt haben. Man sieht, was alles in ihren Füßen steckt», kommentierte Terzic die neue Schlagkraft der BVB-Offensive, «schwer vorzustellen, dass diese drei Spieler nach 16 Spieltagen noch kein Bundesliga-Tor hatten».
«Ich genieße es jeden Tag»
Besonders erfreulich ist diese Entwicklung bei Haller, der nach zwei Krebsoperationen und begleitenden Chemotherapien den größten Teil der Hinrunde verpasst hatte. Gegen Mönchengladbach machte der Torjäger sein bisher bestes Spiel im schwarzgelben Trikot, leitete die ersten beiden Treffer ein und erzielte die nächsten beiden Tore selbst. Von Spiel zu Spiel gewinnt der 28-Jährige spürbar an Tempo- und Zweikampfhärte.
«Es ist etwas Mentales, warum es bei mir so gut läuft. Ich genieße es jeden Tag, dass ich hier bin, auf dem Platz und in der Kabine sein kann. Genauso gut ist es aber auch, an der Spitze der Tabelle mitzuspielen», schwärmte der im vergangenen Sommer von Ajax Amsterdam verpflichteten BVB-Rekordeinkauf.
Tief entspannt gab Haller die Richtung für den Saisonendspurt vor: «2023 sind wir die beste Mannschaft Deutschlands, das muss so bleiben», sagte der ivorische Nationalspieler mit Verweis auf die prächtige Ausbeute seines Teams nach der Winterpause. Eine Fahrt im Meisterkorso rund um die Dortmunder Kultstätte am Borsigplatz käme für den ivorischen Nationalspieler einem Fußball-Märchen gleich: «Mein Ziel ist es, mit den Jungs alles zu genießen. Wir müssen uns gegenseitig Freude bereiten.»