In den Morgenstunden kam für die Équipe tricolore das böse Erwachen, die Nachricht vom WM-Aus von Superstürmer Karim Benzema traf seine Teamkollegen hart.
«Wir hatten uns schlafen gelegt. Es war schon spät», schilderte der ehemalige Bundesligaprofi Ibrahima Konaté am Sonntag die bitteren Stunden: «Wir haben die Neuigkeit am nächsten Morgen erfahren.»
Eine Neuigkeit, die wehtut, so wie es vermutlich auch jeder der wenigen Schritte von Benzema aus dem Krankenhaus in den dunklen Mini-Van am späten Samstagabend in Doha tat – ihm selbst und den Fans der Grande Nation. Der nächste Leistungsträger und Erfolgsmitgarant der Équipe Tricolore fällt bei der Fußball-Weltmeisterschaft aus.
Details über die Verletzung sind nicht bekannt. Nach N’Golo Kante und Paul Pogba, dem Mittelfeld-Herzstück der Mannschaft von Didier Deschamps, nach Innenverteidiger Presnel Kimpembe und RB Leipzigs Torjäger Christopher Nkunku nun also auch noch Benzema – der Titelverteidiger im Personal-Malheur. «Das ist ein harter Schlag», betonte Konaté, einst Manndecker in Leipzig, in einer zu einem Pressekonferenzraum umfunktionierten Turnhalle des Jassim bin Hamad Stadions. «Der katarische Fluch hängt weiter über der Krankenstation von Les Bleus», befand «Libération».
Benzema schon 2018 nicht dabei
Ausgerechnet Benzema: 2018 beim WM-Titel hatte er gefehlt. Er war 2015 aus der Nationalmannschaft ausgeschlossen worden wegen eines Erpressungsversuchs eines Auswahlkollegen. Im Juni vergangenen Jahres erst kehrte Benzema zurück. In der Gruppenphase der WM in Katar hätte er seine Länderspiele 98 am Dienstag gegen Australien, 99 am kommenden Samstag gegen Dänemark und 100 am 30. November gegen Tunesien machen sollen. Und nun?
Am Tag nach dem Endspiel wird er 35 Jahre alt. «Er hat ohne Zweifel seinem letzten großen Traum adieu gesagt: Die WM gewinnen», schrieb RMC Sport. Nie habe er aufgegeben in seinem Leben, betonte Benzema selbst, aber an diesem Abend müsse er an die Mannschaft denken. Schon bei Real Madrid hatte er in dieser Saison einige Partien verletzt auslassen müssen, der Rückschlag nun trifft den Mittelstürmer par excellence aber deutlich härter.
«Kopf hoch, Bruder»
Deschamps verzichtete dennoch vor Beginn der Gruppenphase auf die Nachnominierung eines weiteren Spielers. «Ich bin pragmatisch, aber faktisch ist das nun mal die Realität», sagte der Trainer am Sonntag bei TF1. «Le Parisien» hatte zuvor noch mit einer Berufung von Moussa Diaby von Bayer 04 Leverkusen spekuliert. Für Nkunku hatte Deschamps aus der Bundesliga auf Randal Kolo Muani von Eintracht Frankfurt zurückgegriffen.
Für Benzema tut es Deschamps einfach «sehr leid, er habe sich diese WM zum großen Ziel gesetzt». Via Instagram reagierten zudem nicht nur Leidensgenossen wie Kimpembe oder Nkunku, auch Benzemas Real-Vereinskollege Luka Modric schickte eine Nachricht: «Kopf hoch, Bruder.»
Trotz ist womöglich auch für seine noch gesunden und fitten Auswahlkollegen um den nun noch wichtigeren Kylian Mbappé (23) und den mittlerweile auch schon 31 Jahre alten Antoine Griezmann besser als Tristesse im luxuriösen WM-Camp der Franzosen. Eine «authentische Oase einheimischer Duftgärten», wie es recht lyrisch auf der Homepage des Fünf-Sterne-Resorts heißt. Wie lange sie dort bleiben, wird sich zeigen. Beispiele von früh gescheiterten Titelverteidigern gibt es reichlich. In jüngster Vergangenheit wurde es zur beängstigenden Regelmäßigkeit.
Mbappé nun noch mehr im Fokus
2010 schied 2006-Champion Italien sieglos als Gruppenletzter aus. 2014 kam für Spanien vier Jahre nach dem Titel als Gruppendritter das frühe Ende. Und vor vier Jahren traf es die deutsche Mannschaft. «Man fragt sich, ob der Fluch der Titelverteidiger – die vergangenen drei schieden in der ersten Runde aus – dieses Jahr nicht schon ein bisschen voraus ist», schrieb «Le Monde» mit Blick auf die Franzosen.
Denn Spieler wie Endlos-Läufer Kanté oder der geniale Passgeber Pogba oder eben wie nun auch noch Super-Torjäger Benzema kann selbst eine Nation wie Frankreich mit einem gefühlt schier unerschöpflichen Spieler-Reservoir nicht einfach so ersetzen. Umso mehr wird Mbappé im Fokus stehen, der vor zweieinhalb Jahren beim enttäuschenden EM-Auftritt des Weltmeisters mit dem Aus im Achtelfinale gegen die Schweiz die Mannschaft auch nicht hatte mitreißen können. «Kylian kennt das, er ist es gewohnt, dass Druck auf seinen Schultern lastet», sagte der auch erst 20 Jahre alte Eduardo Camavinga und kündigte an: «Wir werden für all die kämpfen, die nicht dabei sein können.»