Hansi Flick hat mit seinem ersten Kader Richtung Fußball-EM 2024 selbst seinen aktuellen Kapitän Joshua Kimmich verblüfft. Der Bundestrainer verzichtet in den anstehenden Länderspielen gegen Peru und Belgien schließlich auf Fixgrößen und WM-Teilnehmer wie die Abwehrrecken Antonio Rüdiger und Niklas Süle oder Angreifer Leroy Sané. Er schafft stattdessen «Raum» für mehrere Neulinge und Rückkehrer, die sich im Elitekreis erstmals oder neu bewähren dürfen. Flick will den Kader «breiter aufstellen».
Nur auf der Torhüter-Position setzt der DFB-Chefcoach beim Neubeginn nach dem WM-Desaster in Katar auf Kontinuität. Torhüter für die Zukunft? Fehlanzeige. Flick setzt trotz des Ausfalls von Kapitän Manuel Neuer (Beinbruch) auf ein Ü30-Trio mit Marc-André ter Stegen (30) vom FC Barcelona, den Frankfurter Kevin Trapp (32) und Rückkehrer Bernd Leno (31) vom FC Fulham.
«Gerade im Tor haben wir enorm hohe Qualität», erläuterte Flick: «Wir haben drei, vier, fünf Torhüter, die mit zur Weltspitze gehören.» Sie sind erfahren, aber eben auch schon älter. Auch den noch in diesem Monat 37 Jahre alt werdenden Münchner Neuer hat Flick noch nicht für die EM abgeschrieben. Vielmehr traut er der langjährigen Nummer eins nach der langwierigen Reha ein Comeback sowohl beim FC Bayern als auch im Nationalteam zu.
Ter Stegen will seine Chance ergreifen
Zunächst ist aber der Moment gekommen, auf den ter Stegen seit Jahren lauert. Der frühere Gladbacher debütierte 2012 als 20-Jähriger, aber Neuer blockierte fast durchgehend seinen Aufstieg zur Nummer eins. Auf bescheidene 30 Länderspiele kommt ter Stegen nach elf Jahren als Nationalspieler. Keines bestritt er bei einer WM oder EM. Nur beim gewonnenen Confederations Cup 2017 in Russland war er der Mann im deutschen Tor, weil Bundestrainer Joachim Löw Weltmeister Neuer damals im Sommer eine Pause gönnte.
Jetzt will der ewige Kronprinz ter Stegen seine Chance ergreifen. Flick hat ihn im Ranking über Trapp und Leno gestellt. «Geplant ist, dass Marc-André beide Spiele macht», sagte der Bundestrainer mit Blick auf die Partien am Samstag in Mainz und danach in Köln. Ter Stegen trägt ab sofort auch die Nummer 1 auf dem Trikot. Er arbeitet hart in den Trainingseinheiten in Frankfurt, wo er sich am Donnerstag bei der DFB-Pressekonferenz zu seinen Ambitionen äußern soll.
«Man steht ja nicht im Tor, um nur Freundschaftsspiele zu bestreiten», hatte ter Stegen vorab via «Bild am Sonntag» verkündet. Die Heim-EM reizt ihn ungemein. Dann will er endlich im Tor stehen und nicht wieder von der Ersatzbank aus zuschauen müssen. Schon einmal wähnte sich ter Stegen ganz nah dran, vor der WM 2018. Aber dann kehrte Konkurrent Neuer ebenfalls nach einer langwierigen Fußverletzung pünktlich zum Turnier gesund zurück und stand in Russland wieder im Tor – nachdem ter Stegen zuvor fast alle Spiele gemacht hatte.