Hansi Flick und Oliver Bierhoff laufen lächelnd nebeneinander an einer Sponsorenwand des Deutschen Fußball-Bundes entlang. Das Bild, das der DFB zur Stellungnahme des Bundestrainers verbreitete, passte überhaupt nicht zur Stimmungslage.
Fünf Tage nach dem WM-Aus ist Nationalmannschaftschef Bierhoff schon raus – und Flicks Worte lesen sich nicht so, als könne er die Entscheidung verstehen. Im Gegenteil. Eine Analyse.
«Oliver Bierhoff arbeitet seit 2004 an oberster Stelle des deutschen Fußballs und hat fachlich wie menschlich Maßstäbe gesetzt.»
Heißt: Flick und Bierhoff kennen und schätzen sich schon viele Jahre. Mit Bierhoff als Teammanager und Flick als Assistent von Joachim Löw gipfelte die Erfolgsära der DFB-Auswahl im WM-Titel 2014. Danach war Flick DFB-Sportdirektor, vor eineinhalb Jahren kam er auch auf Bierhoffs Betreiben als Bundestrainer zum Verband zurück. Die WM-Planung machten beide Hand in Hand.
«All dies (die Fortschritte) hat er mit größtem persönlichen Engagement und gegen viele Widerstände vorangetrieben.»
Heißt: Flick teilt die Kritik an Bierhoff nicht, die schon lange vor dem WM-Aus in Katar schwelte. Der Nationalmannschaftskosmos wirkt seit Jahren abgeschirmt vom weiteren Verband und auch der Öffentlichkeit – maßgeblich verantwortlich ist Bierhoff, und Flick profitierte. Die Posse um die Pressekonferenz vor dem Spanien-Spiel, als sich Flick über die für seine Spieler angeblich unzumutbare Anreise echauffierte, verdeutliche das ungewöhnliche Selbstverständnis.
«Meinem Trainerteam und mir fällt im Moment die Vorstellung schwer, wie die durch Olivers Ausscheiden entstehende Lücke fachlich und menschlich geschlossen werden kann. Unsere Zusammenarbeit war immer von Loyalität, Teamgeist, Vertrauen und Zuverlässigkeit geprägt. Zusammenhalt war die DNA unseres Teams.»
Heißt: Das ist die Kernaussage. Für Flick war Bierhoff der ideale Partner in den DFB-Strukturen. Dass er keine Nachfolgelösung sieht, ist alles andere als ein Vertrauensbeweis in DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Vize Hans-Joachim Watzke bei der Suche nach dem neuen Bierhoff. Von den gehandelten Namen ganz zu schweigen. Für Flick muss es menschlich passen – sonst funktioniert der Trainer nicht. Zu sehen war das auch in der Endzeit bei den Bayern, als die Differenzen mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic teils öffentlich ausgetragen wurden.
«Für mich persönlich war Oliver innerhalb des Teams mein erster Ansprechpartner und Freund. Wir hatten als gemeinsames Ziel das Projekt EM 2024 in Deutschland. Dabei stand für Oliver immer und ausschließlich das Wohl der Nationalmannschaft, des DFB und des deutschen Fußballs im Mittelpunkt.»
Heißt: Flick und Bierhoff hatten jeweils direkt nach dem WM-Aus angekündigt, in Amt und Würden bleiben zu wollen. Flick blickte sogar schon auf die Heim-EM voraus. Die Perspektive ist für jeden Trainer, jeden Beteiligten reizvoll. Die Nationalspieler haben das Potenzial, in eineinhalb Jahren zu begeistern. Das hatte auch Bierhoff immer wieder betont – nur bekommt er nicht die Chance, das in DFB-Funktion zu erleben.
«Ich danke ihm persönlich und als Bundestrainer für diese lange Zusammenarbeit und das dabei entstandene unschätzbar hohe Vertrauen. Dieses Vertrauen ist und bleibt im Fußball das höchste Gut.»
Heißt: Flick schreibt von sich als Bundestrainer. Nach Rücktritt klingt das für den Moment nicht. Er bekräftigt aber erneut, wie wichtig ihm das Vertrauen ist. Gelesen werden kann das auch als Forderung, dass das Vertrauen in ihn bekräftigt werden soll.
«Die letzten Tage waren nicht einfach und ich wünsche Oliver und seiner Familie von Herzen das Allerbeste. Der deutsche Fußball und insbesondere die Nationalmannschaft haben ihm unglaublich viel zu verdanken.»
Heißt: Bierhoff wird Flick eingebunden haben, und Flick wird sich zumindest die Frage gestellt haben, ob er auch von seinem Amt zurücktreten soll. Das mediale Echo nach dem Costa-Rica-Spiel war krachend. Allerdings hatte es sich vornehmlich auf Bierhoff fokussiert. Flick wird genau abwägen, ob sich die Stimmungslage ändert, wenn er im Amt bleibt – oder eben nicht.