Liebe sei im Umgang mit Spielerinnen «so ein großes Wort». Für Martina Voss-Tecklenburg geht es trotzdem «in diese Richtung». Mit ihren Emotionen geht die Bundestrainerin der deutschen Fußballerinnen trotz der gestiegenen Popularität weiter offen um.
In den nächsten Weltmeisterschafts-Wochen steht sie noch mehr im Fokus als bei und nach der erfolgreichen EM 2022 in England. Dass der sportliche Druck beim Turnier in Australien und Neuseeland enorm ist, weiß die 55-Jährige natürlich genau.
Die viel zitierten Begriffe Authentizität und Sichtbarkeit, die den Frauenfußball vom Profigeschäft der Männer abheben sollen, verkörpert Voss-Tecklenburg selbst mit am besten. Keine Fragen zum Privatleben? Nicht mit ihr. In einer NDR-Doku über die gebürtige Duisburgerin kommen sowohl ihr ehemaliger Freund und Trainer vom KBC Duisburg, Jürgen Krust, ihre frühere Lebensgefährtin Inka Grings als auch ihr Ehemann Hermann Tecklenburg und ihre Tochter Dina zu Wort.
Vetrauen in Spielerinnen und Mitarbeiter beim DFB
«Ich habe in diesem ganzen Doku-Prozess gar nicht so sehr darüber nachgedacht, wie das jetzt vielleicht andere sehen. Ich bin halt ein sehr offener Mensch, der mehrheitlich zu dem steht, was er in seinem Leben tut», sagte Voss-Tecklenburg dieser Tage in einem Interview der «Frankfurter Rundschau». «Ich bin stolz darauf, dass ich sowohl mit Jürgen als auch mit Inka oder heute mit meinem Mann Hermann respektvoll und freundschaftlich umgehe, obwohl wir unterschiedliche Lebenswege gegangen sind.»
Tochter Dina hat die Bundestrainerin inzwischen zur stolzen Oma gemacht, Lima heißt die Kleine. Unternehmer Tecklenburg fliegt auch nach Australien, und mit Grings verbindet Voss-Tecklenburg eine verlässliche Freundschaft: «Natürlich war es auch mal schwierig, aber wenn die Personen nicht wertvoll wären, hätte ich nicht diese Zeit mit ihnen verbracht.»
«Wirklich unerschütterlich» sei auch ihr Vertrauen in ihre Spielerinnen und die Mitarbeiter beim DFB. Verteidigerin Felicitas Rauch sagte: «Ich glaube, Martina schafft es, die Balance zwischen Kommunikation und Wertschätzung zu finden und den Spielerinnen ihre Freiheiten in gewissen Phasen zu erlauben. Auf dem Platz, aber auch neben dem Platz.»
«Wir möchten den Vergleich mit den Männern nicht»
Wie das im Detail aussieht, zeigt die zweite Staffel der ZDF-Doku «Born for this», die den Weg des deutschen Teams zwischen EM und WM beschreibt. «Martina ist entspannter geworden. Sie verschließt sich nie und reflektiert alles», sagte ihre Co-Trainerin und Vertraute Britta Carlson.
Die richtigen Probleme haben für Voss-Tecklenburg und Carlson allerdings erst vor ein paar Wochen angefangen: der Streit mit dem FC Bayern München um die Abstellung der Spielerinnen, die schwachen Testspiele gegen Vietnam (2:1) und Sambia (2:3). Abgesehen davon wird die Trainerin, deren Vertrag beim Deutschen Fußball-Bund bis 2025 läuft, nicht müde zu betonen, dass es bei der WM bis zu zehn Titelanwärter gibt.
Dass sie nach den Debakeln der Männer von Hansi Flick in Katar und der U21 bei der EM nun mit ihren Frauen quasi die Ehre des deutschen Fußballs retten soll, wies Voss-Tecklenburg im dpa-Interview weit von sich: «Wir wollen eine tolle WM spielen und möchten diesen Vergleich mit den Männern nicht. Wir schauen und konzentrieren uns nur auf uns.» Vor einem Match bügelt die 125-fache Nationalspielerin übrigens gerne – «da komme ich mental runter».
Turnierbeginn gegen Marokko
Gegen Außenseiter Marokko geht es für die Vize-Europameisterinnen in Melbourne los. Nach den deutschen WM-Triumphen 2003 und 2007 hofft der DFB auf den dritten Stern. Voss-Tecklenburg aber hat bei ihrer ersten Weltmeisterschaft als Cheftrainerin erfahren, wie schnell die Träume platzen können: 2019 in Frankreich scheiterte die deutsche Auswahl im Viertelfinale an Schweden.
«Wir wollen mit den Aufgaben wachsen, aber natürlich macht es etwas mit einem, wenn man mehr zu verlieren hat als zu gewinnen», sagte die Bundestrainerin. Silvia Neid holte 2016 mit Olympia-Gold den letzten Titel für die DFB-Frauen. Sie hatte mit Voss-Tecklenburg einst den Trainerschein gemacht und schon damals gemerkt, «dass sie taktisch sehr, sehr gut ist. Dass sie Dinge gut auf den Punkt bringt, dass sie sehr kommunikativ ist, dass sie ein Spiel gut lesen kann, dass sie in der Lage ist, ein Spiel zu verändern mit einer Einwechslung.»
Der Umgang von Diplom-Sozialarbeiterin Voss-Tecklenburg mit ihren Spielerinnen gilt als empathisch, aber auch als energisch – und emotional. Als sich Bayern Münchens Giulia Gwinn im vergangenen Jahr beim DFB-Training mit 23 Jahren zum zweiten Mal das Kreuzband riss, «da war Martina sofort da und hat – glaube ich – sogar mit mir mitgeweint. Sie hat mich ganz fest in den Arm genommen.»