Weit nach Mitternacht betrat Stefan Kuntz den kargen Pressesaal in der Krokodil-Arena von Bursa. Mit betretener Miene referierte der 60-Jährige über das ersehnte erste Heim-Länderspiel, das der Bevölkerung nach dem schweren Erdbeben Mut und Zuversicht schenken sollte.
«Mit dem Ergebnis sind wir nicht zufrieden», sagte Kuntz in der Nacht zum Mittwoch über das 0:2 in der EM-Qualifikationspartie gegen den WM-Dritten Kroatien.
Zuvor hatten sich bewegende Szenen in der einem grünen Krokodil ähnelnden Arena zugetragen. Die Fans zeigten eine riesige Choreografie mit der Türkei-Karte und den betroffenen Gebieten, um der zehntausenden Opfer zu gedenken. Die Spieler sangen besonders laut und inbrünstig bei der Nationalhymne mit. Unmittelbar vor dem Anpfiff gab es zudem eine Schweigeminute. Bei den Erdbeben am 6. Februar sind allein in der Türkei mehr als 50.000 Menschen getötet worden, rund zwei Millionen leben laut Regierungsangaben in Zelten.
Auch der türkische Verbandspräsident Mehmet Büyükeksi zeigte sich nach der Katastrophe von vor rund sechs Wochen betroffen. «Wir haben tausende unserer Menschen in einem vernichtenden Desaster verloren», schrieb Büyükeksi im Stadionheft. Man habe von Verbandsseite eine weltweite Hilfskampagne gestartet.
«Zeit heilt alle Wunden»
«Die Zeit heilt alle Wunden. Wir haben zusammen gesehen, dass Fußball eine wundersame Medizin ist, um Wunden zu heilen, Hoffnung zu wecken und die Einheit zu stärken», sagte der Präsident. Kuntz hatte vor den Länderspielen davon gesprochen, «Freude und Hoffnung» schenken zu wollen.
Das soll nun am 16. Juni in Lettland und am 19. Juni gegen Wales gelingen. «Ich gehe davon aus, dass im Juni wieder Tore erzielt werden», sagte der 60 Jahre alte Kuntz. Während der Pressekonferenz diskutierte der ehemalige deutsche U21-Trainer mit Journalisten, die ihn für seine Auswechslungen und Nominierungen kritisierten. Er sei der Meinung, er habe die besten Spieler nominiert. «Aber ich bin dankbar, wenn man mir noch jemanden nennen kann», sagte Kuntz mit einer Portion Trotz.