Max Eberl wählte wohl ganz bewusst die große Bühne, um von der großen Bühne abzutreten.
«Ich weiß, ich werde die Schnelllebigkeit nicht zurückholen, ich werde diese Rastlosigkeit, die um uns alle herum ist, nicht stoppen können. Ich kann sie für mich stoppen und das tue ich gerade im Moment», sagte der 48-Jährige. Fast ein Vierteljahrhundert als Fußball-Profi und -Funktionär bei Borussia Mönchengladbach und im hektischen Milliardengeschäft Fußball haben Eberl mürbe gemacht.
Eberl zeigte Dankbarkeit auf der einen Seite, übte auf der anderen Seite aber auch Kritik an dem, was er einst als sein Leben bezeichnete. So die Auswüchse in den Sozialen Medien, in denen Beleidigungen, Beurteilungen oder Verurteilungen fallen, bevor man selbst «noch nicht einmal ein Wort gesagt habe». Ob Max Eberl irgendwann einmal zurückkehrt, ist offen.
Andere vor ihm fanden den Weg zurück ins Scheinwerferlicht, nachdem auch sie deutlich hörbar die negativen Auswirkungen ihrer Arbeit im Fußball artikuliert hatten. So etwa Ottmar Hitzfeld zu seiner Auszeit nach seiner Zeit beim FC Bayern 2003 oder Ralf Rangnick 2011 beim FC Schalke 04. «Ich habe gespürt, es geht insgesamt dem Ende zu – denn man hat nicht mehr die Energie, nicht mehr die Kraft», sagte Hitzfeld einst bei Sky. Hitzfeld wollte schon 2001 nach dem CL-Finalsieg ein Sabbatical, dies wurde ihm von Uli Hoeneß aber untersagt. Ein Angebot als Bundestrainer lehnte Hitzfeld auch ab. Später habe er dann «wieder Appetit» bekommen und wurde Schweizer Nationaltrainer.
Rangnick offenbarte, an einem Burnout zu leiden – und führte nach seiner Rückkehr erfolgreich das Projekt RB Leipzig. Nun ist er Teammanager bei Manchester United.
Sportpsychiater lobt Eberls Schritt
Eberls Auftritt wird vom Sportpsychiater Valentin Markser als Geste großer Stärke bewertet. «Nicht, wenn man mal vom 10-Meter-Turm springt oder mit doppeltem Kieferbruch weiterboxt, handelt es sich um mentale Stärke. Sondern über sich und seine Gefühle zu sprechen und diese im Blick zu haben, ist für mich die eigentliche mentale Stärke», sagte Markser der Deutschen Presse-Agentur am Samstag.
Markser, als Profihandballer einst Deutscher Meister und Europapokalsieger mit dem VfL Gummersbach, saß acht Jahre im Kuratorium der Robert-Enke-Stiftung. Der einstige Nationalkeeper Enke litt an Depressionen und nahm sich 2009 das Leben. Markser gründete die Deutsche Gesellschaft für Sportpsychiatrie und Psychotherapie (DGSSP) und bemüht sich seit Jahren darum, dass seine Disziplin im Profisport als Teil der Prävention fester Bestandteil wird.
Sportpsychologen sind wie Mediziner oder Physiotherapeuten fester Bestandteil in Profivereinen. Nur seien Sportpsychologen laut Markser, die «herausragende Arbeit leisten», hauptsächlich mit Wettkampfvorbereitung und mentalem Training beschäftigt. «Für die seelische Gesundheit sind sie nicht ausgebildet», betont Markser. Das seien nur Sportpsychiater. Prävention und Früherkennung sind für den Psychiater wie auch die Belastungssteuerung im körperlichen Bereich wesentlich für eine lange Karriere.
«Das ist ein Irrsinn. Wir sitzen alle auf einem Karussell. Und es dreht sich immer schneller», hatte einst Sebastian Deisler erklärt. Die einst größte Hoffnung im deutschen Fußball litt unter Verletzungen und Depressionen – 2007 beendete er im Alter von nur 27 Jahren seine Karriere.
Bewusst gewählte Sabbaticals
Bemerkenswert waren in den vergangenen Jahren auch die bewusst gewählten Sabbaticals von Pep Guardiola (2012) und Thomas Tuchel (2014). Tiefe Einblicke in ihr Seelenleben gaben die Weltstars Naomi Osaka (Tennis) und Simone Biles (Turnen) bei ihren Rückzügen. Nicht nur deswegen sieht sich Valentin Markser in seinem Glauben bestärkt, dass die Sportpsychiatrie «in den nächsten 10, 20, 30 Jahren» Teil der gesamtmedizinischen Versorgung im Profisport werde.
Gleichwohl, sagt Markser, ist die «Entstigmatisierung» der Psychiatrie trotz prominenter Ereignisse wie auch Osaka oder Biles zäh. Die DGSSP bietet im März (4. bis 6. März) im Olympiamuseum in Köln die Fortbildung «Grundlagen der psychischen Gesundheit im Leistungssport» an. Einladungen dazu gingen unter anderem an alle 36 Vereine der 1. und 2. Fußball-Bundesliga. Rückmeldungen dazu laut Markser bislang: keine.