Auch am Tag nach der ernüchternden Pleite gegen Kolumbien erwischte die deutschen Fußballerinnen und Martina Voss-Tecklenburg eine kalte Dusche. Beim Training der Ersatzspielerinnen auf dem Rasen in Wyong ging unvermittelt die Rasensprenger-Anlage an.
«Mann, Mann, Mann!», fluchte die Bundestrainerin und musste dann aber lachen: «Ich bin doch schon wach.» Da lag hinter der 55-Jährigen und ihrem Team eine kurze Nacht verbunden mit viel Kopfzerbrechen. Gegen Südkorea muss Voss-Tecklenburg ihre Spielerinnen wieder in die Spur bringen – sonst ist es vorbei mit dem Traum vom dritten WM-Stern nach 2003 und 2007.
«Stehen etwas mit dem Rücken zur Wand»
Abgesehen von dieser Szene waren am Montag im deutschen WM-Quartier viele ernste Mienen zu sehen. «Jetzt stehen wir etwas mit dem Rücken zur Wand. Aber trotzdem bleiben wir bei uns und werden weiterhin keine Zweifel aufkommen lassen, dass wir das Spiel gegen Südkorea dann auch gewinnen», sagte Joti Chatzialexiou, Leiter Nationalmannschaften beim DFB, im ARD-«Morgenmagazin».
Die Serie der verletzten Abwehrspielerinnen reist vor dem Vorrundenabschluss am Donnerstag (12.00 Uhr MESZ/ZDF) in Brisbane gegen die Asiatinnen derweil nicht ab. Innenverteidigerin Sara Doorsoun fällt mit einer Muskelblessur im Oberschenkel aus. «Für das nächste Spiel wird sie auf jeden Fall nicht zur Verfügung stehen», sagte Co-Trainerin Britta Carlson bei einer Pressekonferenz über die 31-jährige Frankfurterin. Dafür sind Abwehrchefin Marina Hegering und Mittelfeldspielerin Sydney Lohmann «komplett einsatzfähig».
Die Münchnerin Lohmann bestritt ebenso wie Hegering das Training und hat ihre Adduktorenprobleme offensichtlich überwunden. Sie könnte eine Alternative für das offensive Mittelfeld sein, wo Lina Magull und Sara Däbritz gegen Kolumbien wenig Lücken fanden. Diese Schwäche zieht sich schon länger durch das deutsche Team.
Doorsoun war bei der 1:2-Niederlage gegen Kolumbien am Sonntag in Sydney zur Pause ausgewechselt worden. Sie vertrat die Wolfsburgerin Hegering, die nach einer Fersenprellung noch kein WM-Spiel bestritten hat. Eine MRT-Untersuchung am Dienstag soll genauere Aufschlüsse über die Verletzung Doorsouns bringen. Zudem fehlt weiter Außenverteidigerin Felicitas Rauch (Wolfsburg) wegen einer Knie-Stauchung.
«Wird für die gesamte Mannschaft eine Kopfsache»
Bereits am Montagvormittag arbeitete das Trainerteam um Voss-Tecklenburg und Carlson mit den Spielerinnen den herben Rückschlag gegen die Südamerika-Vizemeisterinnen auf. «Nicht alles, was gegen Marokko gut war, war gestern schlecht.» So fasste es Carlson auch mit Rückblick auf den 6:0-Auftaktsieg gegen Marokko zusammen. Zudem standen Einzelgespräche an, bevor die DFB-Spielerinnen am Nachmittag freihatten.
Chatzialexiou sieht den Vorrundenabschluss vor allem als mentale Herausforderung. «Am Ende wird das für die gesamte Mannschaft eine Kopfsache sein. Ich habe sehr, sehr viele Turniere erlebt und weiß, welche Konstellationen jetzt auch im Kopf zusammenkommen», sagte er. Der 47-Jährige hat zuletzt bereits das frühe Aus der DFB-Männer bei der WM und der männlichen U21 bei der EM aus nächster Nähe miterlebt. Ein Debakel nun auch der Frauen wären für ihn und den Verband verheerend.
Die Vize-Europameisterinnen wollten sich aber nicht verrückt machen lassen. «Deutschland ist keine Nation, die zittern muss. Egal, um welches Spiel es geht», sagte Rückkehrerin Lena Oberdorf. Kapitänin Alexandra Popp erklärte: «Nach vorn brauchen wir wieder die Leichtigkeit wie gegen Marokko.»
Gegen Südkorea geht es um den Turnier-Verbleib
Im Durchschnitt 10,363 Millionen Menschen sahen am Sonntag zur deutschen «Brunch time» im Fernsehen, wie die DFB-Elf gegen die energiegeladenen Kolumbianerinnen in der Nachspielzeit noch das 1:2 kassierte.
Aus eigener Kraft ist der Gruppensieg nicht mehr zu schaffen für den WM-Mitfavoriten, der Achtelfinal-Einzug aber gegen die Südkoreanerinnen des englischen Trainers Colin Bell (früher 1. FFC Frankfurt) durchaus drin. «Jetzt ist der Druck größer, das steht außer Frage. Wir müssen mehr an Ergebnisfußball denken», forderte Voss-Tecklenburg.
«Die Südkoreanerinnen werden auch um ihre Ehre spielen. Sie möchten hier mit Sicherheit nicht mit null Punkten nach Hause fahren», sagte Chatzialexiou. Als Gruppenzweiter – Frankreich, Jamaika und Brasilien sind mögliche Gegner – wäre der Turnierweg jedenfalls beschwerlicher. Dann hätte die DFB-Auswahl das Achtelfinale in Adelaide und das mögliche Viertelfinale in Brisbane – statt zunächst ins nähere Melbourne zu fliegen und bei einem Erfolg in nur einer guten Stunde im Bus nach Sydney zu fahren.