Kurz vor dem wegweisenden Bundestag des Deutschen Fußball-Bundes fordern drei frühere DFB-Präsidenten den Abschied des stark umstrittenen Spitzenmanns Rainer Koch von allen Ämtern.
«Beenden Sie das System Koch und sorgen Sie für einen echten Neuanfang im DFB», schrieben Fritz Keller (64), Reinhard Grindel (60) und Theo Zwanziger (76) in einer der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Erklärung an die Delegierten, die am Freitag beim DFB-Bundestag vorrangig einen neuen Präsidenten wählen. Koch (63) steht für die Position eines Vizepräsidenten zur Wahl.
«Meine Erfahrung ist: Koch ist ein Spaltpilz, er lebt von der Intrige. Sein System ist das des Beschwörens von falschen Feindbildern, des Druckausübens. Ich bin sicher, die Delegierten wissen aus eigener Erfahrung, wovon ich rede», sagte Keller, der im Mai 2021 nach einer sehr persönlichen Auseinandersetzung mit Koch hatte zurücktreten müssen. Keller hatte Koch während einer DFB-Sitzung mit dem Namen eines Nazi-Richters angesprochen.
Kritiker: Koch mitverantwortlich für DFB-Krisen
Die Differenzen mit Ränkespielen und Intrigen innerhalb der DFB-Führungsebene belasten den Verband seit Jahren. Der aktuelle Interimspräsident Koch sitzt seit 2007 im DFB-Präsidium und hat vier DFB-Präsidenten erlebt. Kritiker sehen den 63-Jährigen aus Poing als mitverantwortlich für etliche Krisen. Die wiederkehrenden Vorwürfe seien «absurd, es handelt sich um pauschale und diffamierende Äußerungen ohne jedwede Fakten und Substanz», hatte Koch am Wochenende der ARD gesagt.
«Die Aussagen – insbesondere von Reinhard Grindel und Fritz Keller – sind absurd. Es handelt sich um pauschale, diffamierende Äußerungen ohne jedwede Fakten und jede Substanz», teilte Koch am Montag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. «Fakt ist vielmehr, dass ausschließlich persönliche Verfehlungen zu beiden Rücktritten geführt haben. Ich werde seit langem immer wieder ganz gezielt mit bösartig verbreiteten Unwahrheiten angegangen.»
In der vergangenen Woche hatte der DFB wieder einmal Besuch von Ermittlern der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main. Es ging um einen angeblichen «Scheinvertrag» mit einem Kommunikationsberater, dessen (teure) Rolle im DFB-Dickicht der vergangenen Jahre weiter undurchsichtig bleibt. Auch hier wird Koch eine entscheidende Rolle vorgeworfen, Teil der Ermittlungen ist der 63-Jährige, der den DFB im Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union UEFA vertritt, aber nicht.
«Mit den Intrigen gegen Personen ist auch immer wieder in Kauf genommen worden, dass gleichzeitig die Integrität des DFB beschädigt wurde. Das muss ein Ende haben», sagte Grindel, der 2019 wegen der Annahme einer geschenkten Uhr von einem ukrainischen Funktionär hatte zurücktreten müssen. Gemeinsam fordert das Ex-Präsidenten-Trio einen «Wandel der Verbandskultur. Machtspiele, Intrigen und Indiskretionen müssen der Vergangenheit angehören.»
Schwierige Situation vor der DFB-Präsidentschaftswahl
Für den DFB-Bundestag ist die Ausgangslage einigermaßen komplex – die Zukunft Kochs hängt nicht nur von dessen eigener Wahl ab. Auf das Präsidentenamt bewerben sich der von den Amateurvertretern unterstützte Bernd Neuendorf (60) sowie der frühere Schalker Finanzchef Peter Peters (59) als vom Profifußball protegierter Kandidat. Peters will unter keinen Umständen mit Koch im Präsidium weitermachen, Neuendorf hat sich nicht distanziert. Im Gegenteil: Der frühere Staatssekretär im NRW-Familienministerium wird auch dem Koch-Lager zugeordnet. Den Vorwurf der Vorabsprachen weisen beide zurück.
Über den DFB teilte die Konferenz der Landes- und Regionalverbandspräsidenten nach einer Tagung mit, die Erklärung der drei Ex-Präsidenten zu missbilligen. «Die Erklärung zielt ausschließlich auf die Beschädigung des Menschen Rainer Koch ab», hieß es. «Die Mitglieder der Konferenz stellen sich vor den Menschen Rainer Koch.»
Der «Kicker» berichtete am Sonntagabend von einem Treffen von Peters, Keller, Grindel und Zwanziger in Frankfurt/Main. Wolfgang Niersbach (71), dessen Amtszeit 2015 wegen der Sommermärchen-Affäre endete, war nicht dabei. Eine Stimme haben die Ex-Präsidenten beim Bundestag nicht.
Wie belastend die Situation für den gesamten Verband ist, verdeutlichten auch die Aussagen von Hansi Flick. «Ich hoffe, dass es einen Neuanfang gibt», sagte der Bundestrainer am Sonntagabend in der ARD. Es würde «allen gut tun, wenn mal wieder positive Nachrichten kommen würden». Flick sagte in der ARD-«Sportschau» am Sonntagabend nicht, welchen der Kandidaten er sich an der Spitze des Verbandes wünschen würde.