Mit dem World Conference Center in Bonn haben die Planer des Deutschen Fußball-Bundes einen durchaus geschichtsträchtigen Ort ausgewählt. Vor fast 23 Jahren tagte hier der Deutsche Bundestag letztmals vor dem Umzug nach Berlin, seitdem wurde ordentlich modernisiert.
Der DFB, der am Freitag (ab 10.15 Uhr) wieder einmal einen neuen Präsidenten wählt, wird sich mehr als nur die eine der andere Parallele wünschen – mit Bernd Neuendorf oder Peter Peters soll ein Neuanfang nach Jahren der Krise gelingen. Und zumindest wirken soll das Ganze auch höchst demokratisch.
Bei der Versammlung der über 250 Delegierten, die der DFB passenderweise «quasi das deutsche Fußball-Parlament» nennt, scheint das Ergebnis aber längst festzustehen. Zwar wird geheim gewählt, durch die Stimmverteilung im DFB-Bundestag reist der frühere NRW-Staatssekretär Neuendorf (60) als Kandidat des mächtigen Amateurlagers um Dauerfunktionär Rainer Koch aber als großer Favorit an. «Ich hoffe, dass ich das im Falle meiner Wahl ein bisschen unaufgeregter hinbekomme, als es sonst im Fußball üblich ist», sagte der Quereinsteiger nach seiner Nominierung der Deutschen Presse-Agentur.
Peters (59) wird vom in der Deutschen Fußball Liga versammelten Profifußball unterstützt. Ob geschlossen von allen 36 Vereinen, ist nicht abschließend geklärt. Der frühere Finanzchef des FC Schalke 04 trägt die Last seiner jahrzehntelangen Arbeit im Fußballbusiness, zuletzt sogar als Interimspräsident des DFB. «Der DFB hat ein Glaubwürdigkeitsproblem, er wird von oben betrachtet und kommt an der Basis nicht mehr an», sagte Peters im ZDF-«Sportstudio». «Das ist eine Frage des Miteinanders, der Kultur. Und da stehe ich für Veränderungen.»
Frauenanteil im DFB immer wieder Thema
Beide Kandidaten bringen ein eigenes Team mit nach Bonn. Für die Fußball-Basis sind es eher unbekannte Namen für die Vize-Positionen, die beim Bundestag ebenfalls besetzt werden. Abgesehen von der früheren Nationalspielerin Célia Šašić (33), die in der Regierung Neuendorf die neu geschaffene Position der Vizepräsidentin Diversität und Vielfalt ausfüllen soll.
Der Frauenanteil im DFB war in den vergangenen Monaten immer wieder Thema. Die Reformbewegung «Fußball kann mehr» hatte letztendlich keine Kandidatin nominiert. «Warum sollten wir in einen Wettkampf gehen, dessen Ergebnis schon feststeht?», sagte Mitgründerin Katja Kraus (51) der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» und wertete: «Zwei Kandidaten, die aus dem bestehenden DFB-System kommen und jeweils einem Lager zugerechnet werden, sind wahrlich keine demokratische Errungenschaft.»
Nach Keller-Rücktritt Neuwahlen nötig
Die DFB-Granden verteidigen den Ablauf vor der Wahl, auch Koch (63), der in Teilen der Öffentlichkeit längst zum Gesicht für den stark reformbedürftigen DFB geworden ist. «Ein Spaltpilz» sei der aktuelle Interimspräsident, schrieb Fritz Keller in einer Aufsehen erregenden Erklärung dreier Ex-Präsidenten des DFB. Wegen Kellers Rücktritt im Mai 2021 muss am Freitag neu gewählt werden. Der 2019 noch als Kandidat aller Beteiligten gefeierte heute 64-Jährige hatte den Juristen Koch während einer Sitzung mit dem Namen eines Nazi-Richters angesprochen – und wurde dann zum vierten Präsidenten seit 2012, der nicht freiwillig ging.
Koch wird nicht mehr für die Position des 1. Vizepräsidenten kandidieren, sondern will sich in Bonn auf einen normalen Vize-Posten wählen lassen. Möglicherweise muss er sich in einer geheimen Abstimmung gegen die Sportwissenschaftlerin Silke Sinning aus Peters Team durchsetzten. Ob Sinning auch bei einer Niederlage von Peters in der zuerst durchgeführten Präsidentenwahl im Rennen bleibt, ist offen. Nominiert wurde sie letztendlich vom Bayerischen Verband – dem Koch vorsteht. Es bleibt der Eindruck, damit in erster Linie dem Vorwurf einer undemokratischen Wiederwahl Kochs ins Präsidium entgegenwirken zu wollen.
Peters hat angekündigt, im Fall seiner Wahl nicht mit Koch zusammenarbeiten zu wollen. Neuendorf blieb deutlich diplomatischer. Dass Koch den DFB im Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union UEFA vertritt, und Peters im Council des Weltverbands FIFA sitzt, verdeutlicht die verworrenen Machtverhältnisse im Verband. «An der Spitze des DFB hat es in den letzten Jahren erkennbar nicht harmoniert», sagte Neuendorf der «Frankfurter Rundschau». Der Imageverlust sei «gravierend. Die allgemeine Erwartung und auch mein Ziel ist es, dass beim DFB wieder Ruhe einkehrt.»
Ob das zeitnah gelingt, ist fraglich. Am Donnerstag berichtete die «Süddeutsche Zeitung» erneut über weitere Ungereimtheiten der Sommermärchen-Affäre 2006, die den Verband seit Jahren belastet. Aufgeklärt sind die dubiosen Zahlungsströme rund um die damals so gefeierte Heim-WM weiterhin nicht endgültig. Das zu ändern, dürfte sowohl Peters als auch Neuendorf enorm schwer fallen.
In bester Tradition der Bundesregierung wird der Neue an der Spitze nach der Versammlung in Bonn zunächst einmal umziehen. Die neue, deutlich über 100 Millionen Euro teure Verbandszentrale in Frankfurt/Main ist soweit fertig, der Weg aus dem Frankfurter Stadtwald ist allerdings nicht ganz so weit wie von Bonn nach Berlin. Ausgesucht haben die DFB-Planer das World Conference Center im Übrigen, weil in Nordrhein-Westfalen die Corona-Schutzverordnungen für eine Präsenzveranstaltung günstiger war.