Die Fußball-WM ist auch mehr als ein Jahr nach Lionel Messis großem Triumph mit Argentinien in Katar allgegenwärtig. Denkmäler und riesige Leinwände mit dem Schriftzug «FIFA World Cup Qatar 2022» prägen das Stadtbild. Fährt man eine Weile durch Doha, ist es fast unmöglich nicht an einem riesigen Fußballstadion vorbeizukommen.
Auch das «Stadium 974», das unter anderem aus Containern besteht, die irgendwann abgebaut werden sollten, steht noch. Drumherum liegen verlassene Parkplätze, viel Staub und Schotter. Auf dem Markt Souq Waqif hat quasi jeder Souvenirshop ein Modell des WM-Pokals im Angebot.
Das Emirat ist stolz, dass und wie es das Weltfest des Fußballs ausgerichtet hat. Die Karte, mit der der damalige FIFA-Präsident Joseph Blatter 2010 den WM-Zuschlag verkündete, ist im Nationalmuseum ausgestellt. Doch wie sieht es mit dem Vermächtnis beim Thema Menschenrechte und mit der rund um das Mega-Event so häufig thematisierten Situation der Gastarbeiter aus? Hat sich ihre Lage verbessert?
Amnesty: Viele Reformen nur auf dem Papier
«Tatsächlich hat sich nach der Vergabe der WM in Katar einiges getan. Es gab Verbesserungen. Diese sind in der Region einzigartig», sagt Ellen Wesemüller von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International der Deutschen Presse-Agentur. «Wenn die umfassend umgesetzt werden würden, könnte man wirklich sagen, dass Katar auch in der Region eine Vorreiterrolle spielen könnte. Aber leider ist das nicht so.» Das Problem sei oft, «dass viele Reformen zwar auf dem Papier stehen, aber in der Praxis nicht wirklich umgesetzt werden».
Verbessert habe sich der Hitzeschutz für Arbeiter. Zudem wurden weitere Streitschlichtungskomitees gegründet, die den Zugang zur Arbeitsgerichtsbarkeit für Arbeitnehmer leichter ermöglichen sollen. «Zudem konnten die meisten Arbeitsmigranten, mit denen wir gesprochen haben, das Land ohne Einschränkungen verlassen. Das war vorher nicht immer so», sagt Wesemüller. Die Mehrheit der Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten könnten mittlerweile ihren Job ungehindert wechseln.
Große Probleme gebe es aber weiterhin mit Lohndiebstahl und illegalen Anwerbegebühren. Außerdem seien Gewerkschaften nach wie vor verboten. «Das ist ein großer Skandal», sagt Wesemüller. «Es ist internationales Recht jedes Arbeiters und jeder Arbeiterin auf der Welt, sich zusammenzuschließen, Interessen wahrzunehmen und auch zu kämpfen, falls Rechte missachtet werden sollen. Und dieses Recht haben die Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten in Katar nicht.»
Zahlreiche Arbeiter aus dem Ausland
Auch nach der Fußball-WM ist das Emirat auf zahlreiche Arbeiter aus dem Ausland angewiesen. Sie arbeiten unter anderem als Kellner im Restaurant, Taxifahrer, Reinigungskraft, auf Baustellen oder helfen bei den zahlreichen Großveranstaltungen in Doha. Ob Formel 1 im vergangenen Oktober, Asien-Cup zu Beginn dieses Jahres oder Schwimm-WM, die gerade im Aspire Dome stattfindet: Katar profiliert sich weiter als Ausrichter von Sport-Events.
Doha habe sich «als einer der weltbesten Austragungsorte für große Sportereignisse etabliert», sagte Husain Al-Musallam, der Präsident des Weltverbandes World Aquatics, bei der Eröffnung der Schwimm-WM. Solche Worte werden die Macher in Katar freuen. Das Emirat wollte fester Bestandteil der Sportwelt werden – und hat das geschafft.
Ein Vorwurf rund um die Fußball-WM lautete: Katar betreibe «Sportswashing», um von Verstößen gegen die Menschenrechte abzulenken. War die Menschenrechtssituation vor und während der WM 2022 zumindest in Deutschland noch ein großes Thema, wurde sie rund um die anschließenden Sportveranstaltungen kaum noch öffentlich diskutiert. Auch im Schwimm-Kosmos werden darüber aktuell keine großen Debatten geführt.
FIFA-Untersuchung nicht veröffentlicht
Die von der FIFA angekündigte Untersuchung zur Menschenrechtssituation wurde bislang nicht veröffentlicht. Weltverbandspräsident Gianni Infantino hatte zudem angekündigt, dass es einen Entschädigungsfonds für die Gastarbeiter geben und eine Gewerkschaftsvertretung in Doha aufgebaut werden solle.
«Das sind leere Versprechungen der FIFA gewesen», sagt Wenzel Michalski. Der Deutschland-Direktor von Human Rights Watch ergänzt im Gespräch mit der dpa: «Man kann von dieser Organisation eigentlich nichts mehr erwarten. FIFA-Offizielle und allen voran Gianni Infantino haben wiederholt gezeigt, dass ihnen Menschenrechte egal sind. Da wird nur reagiert, wenn es wirklich sein muss. Solche Versprechen bleiben ohne Konsequenzen. Da braucht man sich keine Illusionen zu machen.»
Wesemüller sagt, es wäre wichtig gewesen, die Frage der Entschädigungen durch die FIFA schnell zu regeln. «Jetzt ist eben die Öffentlichkeit weitergezogen und auch der mögliche Druck ein Stück weit raus.»