Berauscht von der erneuten WM-Teilnahme und dem unbändigen Jubel auf den Straßen und Plätzen in der weit entfernten Heimat dachten die Spieler von Costa Rica noch nicht an ein WM-Wiedersehen mit Deutschland.
Auch Trainer Luis Fernando Suárez wollte 24 Stunden eigentlich nichts anderes machen, als diese Momente genießen. Doch dann zuckten kurz die Augenbrauen, ein verschmitztes Lächeln legte sich über das Gesicht des 62 Jahre alten gebürtigen Kolumbianers, der 2006 mit Ecuador beim Sommermärchen in Deutschland dabei gewesen war und 2014 Honduras zur WM in Brasilien geführt hatte. «Ich hoffe, dass wir ein anderes Costa Rica sein werden, ein stärkeres Costa Rica», sagte Suárez.
Also doch. Er blickte über die 24 Jubel-und-Freude-Stunden ohne irgendwelche Analysen hinaus auf das letzte Gruppenspiel der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar am 1. Dezember gegen die DFB-Auswahl. «Sie werden nicht dieses Team sehen, sie werden eine andere Mannschaft sehen», versprach er schon.
Eine, die wieder weit kommen will. So wie 2014, als Costa Rica erst im Viertelfinale im Elfmeterschießen an den Niederlanden scheiterte. Obacht also für die deutsche Mannschaft, auch wenn die ihrerseits am Dienstagabend eine 5:2-Toreparty im Klassiker gegen Italien feierte. Keylor Navas, Costa Ricas Starkeeper, wird sie kaum brauchen, aber womöglich kann er sich ja von seinem italienischen Kollegen von Paris Saint-Germain, Gianluigi Donnarumma, noch ein paar Warnungen abholen.
Eine «Explosion von Freude und Stolz»
Navas spielt seit 2008 in Costa Ricas Auswahl. Er wurde 2014 zum WM-Helden. Im Dezember wird Navas 36 Jahre alte. Es wird wohl die letzte WM des mit Vereinstiteln reichlich dekorierten Keepers sein. «Ich hatte schon sehr schöne Momente, aber sich für eine WM zu qualifizieren, ist immer etwas Wunderbares.» Eine «Explosion von Freude und Stolz» habe die Nationalmannschaft ausgelöst, schrieb die costa-ricanische Zeitung «La Nación» in ihrer Online-Ausgabe.
Dass die euphorisierten Menschen nicht nur am Brunnen Fuente de la Hispanidad in San José «Oé, oé, oé, ticooooooooos» riefen und ihr Bier in die Luft warfen, hatten sich auch Navas Glanztaten in der Schlussphase zu verdanken. Neuseeland hatte den Gegner trotz Unterzahl in den letzten zwanzig Minuten regelrecht eingeschnürt in dessen eigener Hälfte. «Gelitten, gelitten, aber gut: Wir sind bei der WM», sagte Paulo Wanchope. Der mittlerweile 45-Jährige hatte 2006 beim Eröffnungsspiel die beiden Tore beim 2:4 gegen Deutschland erzielt und sah nun eine Mannschaft, die nicht unbedingt größte Furcht auslöst, aber in 90 teilweise hitzig-giftigen Minuten plus Nachspielzeit dokumentierte, dass sie kein angenehmer Gegner ist.
Kritik an FIFA
Und wieder reichte ein Tor. Auch dank des Videoschiedsrichters, der den Referee auf dem Rasen zweimal berichtigte. Einmal wurde ein Treffer der Neuseeländer zum möglichen Ausgleich wenige Minuten vor der Pause aberkannt, beim zweiten Mal ein Neuseeländer vom Platz geschickt. Deutliche Kritik gab es dafür und vor allem für den Weltverband vom Trainer der All Whites. «Die FIFA hat einen Fehler gemacht», sagte er. Referee Mohammed Abdulla aus den Vereinigten Arabischen Emiraten habe beim 0:1 am Dienstag im Ahmad Bin Ali Stadion in Ar-Rayyan ganz klar nicht das Niveau gehabt, das für so ein Spiel notwendig gewesen wäre.
Dass bei den Costa-Ricanern das Level bis zur WM auch noch mal steigen muss, machte ihr Trainer deutlich. Die Mischung mit Routiniers wie Navas oder dem bereits 36 Jahre alten Bryan Ruiz bei seiner Karriere-Abschieds-WM in Katar sowie Talenten wie Teenager-Torvorbereiter Jewison Bennette wenige Stunden vor dessen 18. Geburtstag an diesem Mittwoch, dürfte aber eine Grundlage sein, auf der sich aufbauen lässt. Auch wenn die weiteren Gegner Japan und vor allem Spanien heißen in der WM-Vorrundengruppe E.
Seit seiner Amtsübernahme vor knapp einem Jahr hat Suárez die Mannschaft aus einem Tief geholt und zuletzt mit sechs – wenn auch meist nur knappen – Siegen in sieben Partien Costa Rica in das interkontinentale Playoff gegen Ozeanien-Vertreter Neuseeland geführt. «Die Letzten werden die Ersten sein. Herzlichen Glückwunsch, Jungs!», hieß es daher auch via Twitter aus Costa Ricas Präsidialamt nach dem WM-Einzug. Der Coach selbst betonte, es sei die beste Gruppe die er je hatte. Und sie soll ja noch besser werden.