Die mehrstündige Busfahrt aus Pilsen zurück nach München konnte Julian Nagelsmann mit dem guten Gefühl antreten, in Europa erst mal geliefert zu haben. Und das in der «schwersten Gruppe», wie der Fußballtrainer stolz hervorhob. «Großes Kompliment, die Mannschaft hat es gut gemacht!»
Im Eiltempo rauschte der weiter unter Beobachtung stehende Nagelsmann mit dem FC Bayern ins Achtelfinale der Champions League, das der im Sommer vom Rekordmeister nach Spanien weitergezogene Weltfußballer Robert Lewandowski mit dem FC Barcelona zu 99,9 Prozent verpassen wird.
Kahn: «Kompliment an die Mannschaft»
Nach dem 45 Minuten lang brillanten 4:2 (4:0) beim europäischen Leichtgewicht Viktoria Pilsen ist das Achtelfinale nach nur vier Spielen mit zwölf Punkten und 13:2 Toren gebucht. «Chapeau», sagte Anführer Thomas Müller zur starken Europa-Performance des deutschen Rekordmeisters und befand: «Es ist nicht selbstverständlich, Spiele in der Champions League mit so vielen Toren und so einer Dominanz zu bestreiten.» Das Signal an Titelanwärter wie Real Madrid oder Manchester City ist gesetzt. «Die Leute in Europa wissen, dass der FC Bayern immer eine Supermannschaft hat, die in den letzten zehn Jahren immer irgendwo um den Titel mitgespielt hat», verkündete der zweimalige Titelgewinner Müller selbstbewusst.
Von Oberboss Oliver Kahn gab es ebenfalls «ein Kompliment an die Mannschaft». In einer Gruppe mit den Schwergewichten Barcelona und Inter Mailand sei das Weiterkommen im Eiltempo «nicht selbstverständlich». Nagelsmann konnte am Mittwoch kurz vor Mitternacht in der winzigen Doosan Arena von einem «guten Tag» für alle im Verein sprechen. Ein besonders guter war es sogar für ihn. Vor dem Anpfiff stärkte Kahn den Trainer im DAZN-Interview verbal: «Wir sind weiterhin total überzeugt von Julian.» Die Diskussionen um Qualität und Erfahrungsschatz des 35 Jahre alten Nagelsmann nannte Kahn zugleich «aberwitzig».
Nagelsmann richtet den Blick auf die Bundesliga
Nagelsmann zeigte sich erfreut über Kahns Worte, die ihm in Kombination mit dem erreichten ersten Etappenziel in Europas Königsklasse die «nötige Ruhe» für die anstehenden wichtigen nationalen Aufgaben verschafft. Noch in Pilsen schaltete er am Donnerstag beim Training auf das Bundesliga-Topspiel am Sonntag gegen den SC Freiburg und das gefährliche K.o.-Spiel im DFB-Pokal beim FC Augsburg nur drei Tage später um. «Jetzt geht es sehr gradlinig in die Vorbereitung auf Freiburg, um auch in der Bundesliga wieder die richtige Richtung einzuschlagen», verkündete Nagelsmann.
Er weiß, dass er die rätselhafte Diskrepanz zwischen Europa-Auftritten und dem Liga-Alltag bis zur WM-Pause Mitte November abstellen muss. Außenverteidiger Noussair Mazraoui gab die Stoßrichtung vor: «Wir müssen den Flow der Champions League mitnehmen in die Bundesliga.»
In Pilsen spielten die arg dezimierten Bayern 45 Minuten toll auf und bejubelten vier blitzsaubere Tore von Sadio Mané, Müller und Leon Goretzka, der erstmals in der Königsklasse doppelt traf. Nach der Pause ließen es die Gäste schleifen, was Nagelsmann wegen zahlreicher Wechsel nicht groß rügen mochte: «Es ist normal, dass wir irgendwann Freiburg im Kopf haben.» Kahn bewertete den Leistungsabfall und die zwei Gegentore in seinem Twitter-Kommentar weniger entspannt: «Das müssen wir unbedingt abstellen!»
Goretzka: «Wollen uns in einen Rausch spielen»
Nagelsmann hofft zunächst, dass sich die Personalsituation bis zum Freiburg-Spiel entspannt. Manuel Neuers Rückkehr ins Tor etwa ist wegen einer schmerzhaften Schulterprellung ungewiss. Immerhin konnte Anführer Müller nach seiner frühen Auswechslung in Pilsen rasch Entwarnung geben. «Alter Rücken», sagte der 33-Jährige zu seinen muskulären Problemen: «Es ist aus meiner Sicht nichts Schlimmes.»
Der wieder starke Vorarbeiter Goretzka machte nach dem «guten Schritt» in Pilsen eine besonders mutige Ansage mit Blick auf die noch neun Vereinspartien bis Mitte November: «Jetzt wollen wir uns Spiel für Spiel in einen Rausch spielen», verkündete der 27-Jährige.