Rudi Völler war Julian Nagelsmann gleich doppelt dankbar. Zum einen, dass der neue Bundestrainer die «unglaublich guten Angebote» von europäischen Spitzenclubs im Sommer nicht angenommen hat. Zum anderen, dass er das – in Völlers Augen – finanziell wohl nicht so unglaublich gute Angebot des DFB als Bundestrainer direkt akzeptierte.
«Es ist auch eine wirtschaftliche Entscheidung. Er ist uns unglaublich entgegengekommen. Das war so in der Form nicht zu erwarten», sagte ein überraschter Völler mit Blick auf die dramatisch knappen Finanzen.
Der DFB auf Sparkus
Der DFB muss sparen – auch beim Gehalt seines wichtigsten Angestellten neun Monate vor der Heim-EM. Dies gestand auch Präsident Bernd Neuendorf ohne Umschweife ein. Der finanzielle Rahmen habe bei der Nagelsmann-Verpflichtung «natürlich eine Rolle gespielt», fügte Neuendorf an. «Das ist alles rückgekoppelt mit dem Schatzmeister. Es gab den Eindruck, dass wir hier in einem Rahmen geblieben sind, der verträglich ist.» Nagelsmanns Vorgänger Hansi Flick hatte ebenfalls bis zur Heim-EM unterschrieben, über eine Vertragsauflösung ist bislang nichts bekannt.
Symbolisch für den monetär angeschlagenen Verband steht der DFB-Campus in Frankfurt, der in der schwierigen Corona-Zeit nicht nur viel später als geplant fertiggestellt wurde – sondern am Ende auch 180 statt wie avisiert 150 Millionen Euro kostete. Der DFB rechnet für das kommende EM-Jahr 2024 bei den geplanten Umsatzerlösen und geplanten Aufwänden mit einem Defizit von derzeit 15 Millionen Euro. Das sagte DFB-Schatzmeister Stephan Grunwald auf dpa-Anfrage vor dem außerordentlichen Bundestag des Verbands an diesem Freitag.
In der sportlichen Führungsriege stellt der DFB nach den Abschieden von Flick und Ex-Direktor Oliver Bierhoff weiter ein. Neben Nagelsmann, der bis 2024 gebunden ist, auch Andreas Rettig als neuen Sport-Geschäftsführer. «Der Zustand ist wirtschaftlich herausfordernd und sportlich schwierig, aber mit Lichtblicken», sagte Rettig, dessen Wirken zunächst bis Ende 2026 befristet ist. Über die Irrwege im riesigen Campus im Frankfurter Stadtteil Niederrad sagte Rettig bei seiner Vorstellung, er habe sich auf dem Weg zum Frühstück zunächst einmal verlaufen. «Ich hoffe, dass ich schnell die Orientierung bekomme.»
Neuer Grundlagenvertrag soll helfen
Die wird auch finanziell benötigt. Helfen soll der neue Grundlagenvertrag zwischen Deutscher Fußball Liga (DFL) und DFB, der bis 2029 gültig sein und am Freitag bestätigt werden soll. «Der neue Grundlagenvertrag sichert die Finanzstabilität des DFB und der Regional- und Landesverbände», sagte Grunwald. «Durch die Mittel können wichtige Maßnahmen und Projekte im Amateurfußball finanziert werden.»
Die DFL zahlt dem DFB statt bislang 26 Millionen Euro zwischen 34,5 und 39 Millionen Euro pro Saison. Der DFB zahlt im Gegenzug nur noch 12,5 Millionen Euro statt bislang 20 Millionen, um mit den Nationalspielern der Clubs werben zu dürfen.
Die finanzielle Lage beim DFB ist seit längerer Zeit angespannt. Der Verband verzeichnete im jüngsten Finanzbericht für das Jahr 2021 auch wegen nötiger Steuerrückstellungen ein Minus von 33,5 Millionen Euro, in den vergangenen Wochen waren Maßnahmen zum Abbau des vorhandenen strukturellen Defizits auf derzeit 4,5 Millionen Euro beschlossen worden. Für die Jahre 2014 und 2015 wurde dem DFB die Gemeinnützigkeit aberkannt. Bereits 2017 war dem Verband vom Fiskus die Gemeinnützigkeit für das Jahr 2006 aberkannt worden.
Veränderter Werbewert der Nationalmannschaft
Dazu kommt der sportliche Niedergang der Nationalmannschaft, die zuletzt drei Turniere in Serie verpatzte und dementsprechend eingeplante Prämien-Einnahmen verspielte. Auch der Werbewert des Teams, das 2014 in Brasilien noch Weltmeister geworden war, dürfte inzwischen ein anderer sein. Mit Partner VW laufen derzeit die Verhandlungen über die Verlängerung des bis 2024 datierten Vertrags. Beide Partner sitzen mit schwierigen finanziellen Hintergründen am Tisch. «VW und DFB streben die Verlängerung der Partnerschaft an. Wir sind in guten Gesprächen», sagte Grunwald. Ein Abschluss ist noch in diesem Jahr zu erwarten.