Getrennt von seinen Rekordjägern musste der erkrankte Julian Nagelsmann im separaten Ambulanzflieger zurück nach München reisen.
Die Freude über das 4:0 bei Benfica Lissabon und eine Startbestmarke in der Champions League wich schnell der Sorge um die Corona-Infektion des Bayern-Trainers. Der 34-Jährige ist trotz «vollständigen Impfschutzes» infiziert und fällt beim deutschen Fußball-Rekordmeister erst einmal aus. Ob noch mehr Protagonisten wie Nagelsmann in die häusliche Isolation müssen, steht erst nach weiteren Testergebnissen fest.
Die Spieler um den in Portugal herausragenden Leroy Sané brachen am Donnerstagmorgen mit ernsten Mienen auf. Nach einem «tollen Abend», wie es Kapitän Manuel Neuer nach seinem 100. Champions-League-Spiel für Bayern formulierte, dürfte die Infektion ihres Trainers auch bei ihnen Fragen aufgeworfen haben.
Coaching aus dem Hotel
Das Münchner Gesundheitsamt konnte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur aus Datenschutzgründen «keine detaillierte Auskunft» zu einer Quarantäne des Bayern-Trainers geben und verwies stattdessen auf den Verein. Wie es dem Familienvater Nagelsmann geht, teilte der Rekordmeister in seiner Mitteilung nicht mit. Das Fehlen des Coaches am Vorabend beim gefeierten Sieg im Lieblings-Auswärtsstadion Estádio da Luz hatte der Club mit einem grippalen Infekt begründet. Der Coach selbst hatte über «Unwohlsein» geklagt und war im rund zweieinhalb Kilometer entfernten Nobelhotel geblieben. Er war aber mit Vertreter Dino Toppmöller verbunden, coachte aus dem Zimmer mit.
In den nächsten Spielen wird Co-Trainer Toppmöller, der mit Mund-Nasen-Schutz zum Mannschaftsbus Richtung Flughafen schlenderte, besonders gefordert sein. Neben dem 40 Jahre alten Sohn des früheren Bundesliga-Trainers Klaus Toppmöller werden auch die Co-Trainer Xaver Zembrod (55) und Analyst Benjamin Glück (35) das Team betreuen. Die neue Aufgabe als Interims-Chefcoach mochte Toppmöller aber «nicht an die große Glocke hängen». Alle drei sind Vertraute von Nagelsmann, arbeiteten mit diesem schon in Leipzig zusammen.
Vom nächsten Gegner, der TSG Hoffenheim am Samstag, gab es Genesungsgrüße. «Ich wünsche Julian gute Besserung», sagte Coach Sebastian Hoeneß. Nagelsmann soll dem Vernehmen nach keine schweren Symptome haben. «Ich wünsche ihm alles Gute, dass er einen milden Verlauf hat, wie es in den meisten Fällen bei doppelt Geimpften der Fall ist», sagte Augsburgs Geschäftsführer Stefan Reuter bei Sky.
Ausnahmestellung untermauert
Reuters Ex-Club FC Bayern, der zuletzt im Februar 2018 beim krankheitsbedingten Ausfall von Jupp Heynckes auf den Cheftrainer verzichten musste, kann weitere Aufgaben vorerst nicht mit Nagelsmann planen. Nach dem Hoffenheim-Match steht am Mittwoch das Pokalspiel bei Borussia Mönchengladbach an. Es folgen die Auswärtspartie bei Union Berlin am 30. Oktober und das Rückspiel in der Königsklasse gegen Lissabon am 2. November. Dort können die Münchner das Achtelfinale klarmachen.
Nach Niederlagen von Borussia Dortmund, RB Leipzig und dem VfL Wolfsburg dokumentierten die Münchner einmal mehr ihre Ausnahmestellung. Drei Siege und 12:0-Tore bedeuten eine Bayern-Bestmarke aus den ersten drei Spielen einer Königsklassen-Saison. So gut wie die Münchner ist in dieser Saison auch kein internationaler Konkurrent gestartet.
«Wenn man die letzten Jahre sieht, wie hungrig sie immer waren, auch in der Meisterschaft – das ist eine große Stärke von uns. Ich hoffe, das bleibt auch so», sagte Doppeltorschütze Sané. Ein Eigentor von Everton und Weltfußballer Robert Lewandowski ließen die Münchner vor 55 201 Zuschauern zwei weitere Male jubeln. «Wir haben nicht aufgehört und immer weitergemacht», sagte Sané.
Wechsel per Funk
Daran wird beim Serienmeister auch der Ausfall von Nagelsmann nichts ändern. Zumal der erkrankte Coach an diesem Erfolg im Estádio da Luz, in dem der FC Bayern im August 2020 den Champions-League-Triumph und das Triple gefeiert hatte, beteiligt war.
«Es war Julians Idee, wie wir die Wechsel gestalten sollen. Es war eine mutige Entscheidung, Serge zu bringen – aber am Ende eine goldrichtige», sagte Toppmöller. Nach einigen Störungen in Hälfte eins war er zumindest von der Pause an mit seinem Chef via Funk über die Analysten auf der Tribüne verbunden. «Da sieht man, dass Julian zwar krank ist, aber im Kopf trotzdem sehr fix – und eine super Idee hatte», sagte Toppmöller über den Gnabry-Einfall. Der offensive Wechsel von Serge Gnabry für Benjamin Pavard beim Stand von 0:0 war ein Faktor auf dem Weg zum Sieg.
Toppmöller meisterte seine Aufgabe an der Seitenlinie unaufgeregt, aber gleichzeitig energisch. «Es war jetzt nicht so, dass ich da den großen Zampano gemacht habe. Ich bin froh, dass wir das Spiel gewonnen haben und dass wir im Trainerteam Julian gut vertreten haben», sagte Toppmöller.