Den viel bestaunten Auftritt von Uli Hoeneß auf dem Trainingsplatz quittierte Thomas Tuchel mit einem Scherz. «Er wollte mir eigentlich nur kurz sagen, wer am Wochenende spielt – das habe ich dann auch gleich eingesehen», sagte der Münchner Trainer und lächelte verschmitzt.
Die Krise nach dem Aus in Pokal und Champions League, dem Rückschlag im Meisterschaftskampf und viel Kritik für die Chefetage war dem 49-Jährigen zwei Tage vor dem Auftritt gegen das Bundesliga-Schlusslicht Hertha BSC am Sonntag (15.30 Uhr/DAZN) nicht anzusehen. Dabei musste Tuchel in nur einem Monat seit seiner Verpflichtung schwere Wirkungstreffer wegstecken – und will weiteren Schaden unbedingt vermeiden.
Darauf baut auch der Ehrenpräsident. Hoeneß war am Mittwoch auf den Rasen an der Säbener Straße geschlendert, auf dem das Starensemble nach dem 1:3 gegen den FSV Mainz 05 nach drei freien Tagen die abschließenden fünf Aufgaben im Meisterschaftscountdown anging. Gestenreich hatten sich Tuchel und Hoeneß ausgetauscht. «Wenn zwei emotionale Menschen miteinander auf dem Fußballplatz sprechen, dann kann es auch mal emotional werden», erklärte Tuchel die Szene und stellte klar: «Über die Inhalte werde ich nichts sagen.»
«Ziel muss es jetzt sein, 15 Punkte zu holen»
Es ist aber kein Geheimnis, dass der Ehrenpräsident in diesen wilden Tagen mit seinem Herzensclub leidet. Von Hoeneß‘ Votum wird wesentlich abhängen, wie die Zukunft von Vorstandschef Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic aussieht. Die Nachfrage, ob Hoeneß nun wieder in die erste Reihe gerückt sei, konterte Tuchel mit einem weiteren Witz. «Vielleicht sitzt er am Wochenende mit auf der Bank – dann würde ich sagen, er sitzt in der ersten Reihe.»
Weniger locker ging es nach dem Mainz-Schock auf dem Trainingsplatz zu. Tuchel erhöhte im Kampf um die Münchner Meisterserie den Druck auf seine zuletzt in der Bundesliga gegen Hoffenheim (1:1) und Mainz enttäuschenden Stars. «Wenn es irgendeinen Vorteil aus den beiden Ergebnissen gibt, dann den, dass die Situation sonnenklar ist», sagte der 49-Jährige wenige Stunden vor dem Dortmunder Auftritt beim VfL Bochum.
«Das Ziel muss es jetzt sein, 15 Punkte zu holen. Wenn wir so weiterspielen, so schwankend, dann wird uns das nicht gelingen», sagte Tuchel. Nach dem Wochenende sind Bremen (A), Schalke (H), Leipzig (H) und Köln (A) die weiteren Aufgaben. Nur bei einem BVB-Patzer auf der Zielgeraden ist der elfte Meistertitel am Stück noch möglich. Eine Saison ohne Meisterschaft wäre nicht nur nach Ansicht von Kahn, der am Donnerstag konzentriert das Training beobachtete, eine «Katastrophe».
Upamecano, Choupo-Moting und Davies fehlen
Der zuletzt besonders heftig kritisierte Dayot Upamecano kann nicht helfen, diese abzuwenden. Der trotz einiger Patzer gesetzte Innenverteidiger fällt wegen eines Muskelfaserrisses laut Tuchel rund zwei Wochen aus. Die verletzten Eric Maxim Choupo-Moting und Alphonso Davies werden ebenfalls fehlen, angeschlagen mussten Leon Goretzka (Knie-Prellung) und Kingsley Coman (Rückenblockade) das Abschlusstraining am Samstag ins Visier nehmen. «Wir versuchen, uns so gut wie möglich zu präparieren», sagte Kapitän Thomas Müller.
Tuchel muss seine Defensivreihe zwangsläufig umbauen und im Angriff weiter improvisieren. Im Tor setzt er weiter auf den zuletzt wackelnden Yann Sommer. «Yann hat eine Phase, in der er vielleicht etwas unglücklich spielt. Es gehört zum Torwartspiel dazu, dass du auch ein bisschen Spielglück hast», sagte der Coach, der sich über die Unterstützung des Ehrenpräsidenten freute.
Normalerweise hätte Hoeneß ihn um die Uhrzeit noch in den Gebäuden angetroffen, dann quatsche man immer mal wieder eine Viertelstunde miteinander, verriet Tuchel. Doch diesmal habe er wegen des Übungsaufbaus früher raus auf den Rasen gemusst. «Ich wäre schlecht beraten, wenn ich nicht zuhören würde», sagte der Bayern-Trainer. Hoeneß wolle einfach Informationen, Stimmungen und Meinungen aufnehmen. Die Besuche zeigten, dass er sich kümmere und dass ihn die Situation berühre. «Ich kann das nur als positiv einschätzen.»