Julian Nagelsmann richtete den Blick nach nachdenklichen Tagen entschlossen nach vorne. Viele Videostunden, in denen er «alle Spiele» noch einmal analysierte, liegen hinter dem Münchner Trainer.
Aber nach dem schlechtesten Liga-Start des FC Bayern seit zwölf Jahren habe er «keine Rücktrittsgedanken» gehegt. «Dass die letzten zwei Wochen mich total kaltlassen, wäre gelogen. Jeder erfährt lieber positive Dinge über sich als negative», sagte 35-Jährige nach viel Kritik. In der Münchner Liga-Tristesse nach vier Spielen ohne Sieg will er am Freitag (20.30 Uhr/DAZN) gegen Bayer Leverkusen die Trendwende einleiten.
Fünf Punkte Rückstand auf die Spitze
«Es ging einfach darum, dass ich keine Lust habe, die Spiele nicht zu gewinnen, weil ich gerne am Pay Day wieder deutscher Meister werden will und in der Champions League und im DFB-Pokal gerne weiterkommen würde als letztes Jahr», sagte Nagelsmann. «Es ist noch nicht Pay Day, aber wir brauchen Punkte und Siege.» Fünf Zähler beträgt der Rückstand auf Tabellenführer Union Berlin.
Statt Erster gegen Zweiter wie vor einem Jahr empfängt nun der Tabellenfünfte um die Rückkehrer Manuel Neuer und Leon Goretzka nach Corona-Infektionen den Tabellen-15. «Dass wir lieber Heute als Morgen Tabellenführer werden wollen, ist selbsterklärend», sagte Nagelsmann, der sich bei der Reflexion auch den Rat von «vielen alten Weggefährten» einholte, «das hat auch den Horizont geöffnet».
Nagelsmann muss schleunigst Antworten auf die jüngste Schwächeperiode und die magere Auftakt-Ausbeute von zwölf Punkten in sieben Spielen finden. Zuletzt startete Louis van Gaal in der Saison 2010/11 schlechter – am Saisonende war er nicht mehr Trainer und Borussia Dortmund Meister.
«Wir haben Julian Nagelsmann alle zusammen ganz klar den Rücken gestärkt, weil wir absolut von ihm überzeugt sind. Er ist ein unheimlich kreativer, innovativer Trainer und wir werden noch viele tolle Erfolge mit ihm feiern», versicherte Präsident Herbert Hainer.
«Vier Botschaften» vom Bayern-Coach
Gegen Leverkusen muss nun ein Sieg her, wie auch am Dienstag in der Champions League gegen Viktoria Pilsen und vier Tage später im deutschen Clásico gegen Borussia Dortmund. Dafür habe er seinen «Jungs vier Botschaften» mitgegeben, sagte Nagelsmann.
Die wohlwollenden Worte der Bosse registrierte der bis 2026 an den Club gebundene und für eine Trainer-Rekordablöse verpflichtete Nagelsmann gerne. Er spüre die persönliche Verantwortung, mit der könne er auch umgehen – aber: «Mir ist auch bewusst, dass ich nicht für alles verantwortlich bin. In den letzten zwei Wochen ist mein Name schon inflationär gefallen – und wenig andere Namen.»
Auch Bayer-Kollegen Gerardo Seoane durfte sich über Rückendeckung aus der Chefetage freuen, wenngleich seine Bilanz in dieser Spielzeit mit nur einem Sieg verheerend ist. «In diesem Highlevel-Sport ist jeder Spieltag maximal wichtig», sagte der Schweizer, für den ein Coup in München ein großer Befreiungsschlag wäre. Die Hoffnungen ruhen besonders auf Angreifer Patrik Schick, der sich zuletzt bei der tschechischen Nationalmannschaft verbessert zeigte.
Länderspiele waren keine Mutmacher
Nagelsmann erwartet «mutige Leverkusener» in einem «Spitzenspiel». 13 wegweisende Partien in sieben Wochen werden dem Bayern-Coach und seinen Stars bis zur WM-Pause alles abverlangen. «Mut ist das Anagramm von Glück. Ich erwarte, dass wir trotz der Ergebnis-Situation weiter mutig auftreten und mutige Entscheidungen treffen», sagte Nagelsmann.
Die Länderspielpause taugte bei seinen Stars kaum dazu, Selbstvertrauen zu sammeln für den Kampf gegen einen «katastrophalen Trend», wie es Thomas Müller formulierte. Die DFB-Kicker um den starken Jamal Musiala kehrten ohne Sieg an die Säbener Straße zurück. Matthijs de Ligt hockte bei den Niederlanden zweimal auf der Bank. Benjamin Pavard und Dayot Upamecano kassierten bei ihrem Einsatz mit Frankreich eine Niederlage.
Immerhin sind Neuer und Goretzka nach ihren Corona-Infektionen wieder zurück – und der zuletzt glücklose Sadio Mané konnte sich wenigstens über ein Elfmetertor freuen. Dieser werde «schnell wieder zur Topform finden», sagte Nagelsmann. «Ich weiß, dass wir noch einiges im Köcher haben, aber auch schon einiges im Köcher hatten, was wir gezeigt haben.»
Die voraussichtlichen Aufstellungen:
FC Bayern München: Neuer – Pavard, Upamecano, de Ligt, Davies – Kimmich, Goretzka – Musiala, Sané – Müller, Mané
Bayer Leverkusen: Hradecky – Kossounou, Tah, Tapsoba – Frimpong, Andrich, Demirbay, Hincapie – Diaby, Schick, Hudson-Odoi