Thomas Müller erheiterte mit seinem locker-flockigen Meister-Versprechen, die Bayern-Bosse ließen in der Dauerdebatte um die Führungsriege aufhorchen. Während Aufsichtsratschef Herbert Hainer ein Bekenntnis zur Zukunft von Oliver Kahn vermied, positionierte sich der kämpferische Vorstandsboss selbst für die kommende Saison schon mal klar. «Selbstverständlich bin ich noch hier», sagte Kahn und lachte, als er gefragt wurde, ob er in der neuen Spielzeit noch im Amt sein werde.
Nach dem 2:0 gegen Hertha BSC und dem wegen eines ausgebliebenen Elfmeterpfiffs heißblütig diskutierten Patzer von Borussia Dortmund beim 1:1 in Bochum war die Rückkehr an die Bundesliga-Tabellenspitze für Kahn & Co. der dringend nötige Stimmungsaufheller. «Da simmer wieder! Wir holen uns das Ding!», tönte Kapitän Müller, als er grinsend aus den Arena-Katakomben marschierte. Gut gelaunt schrieb am Tag danach auch Coach Thomas Tuchel nach dem Training Autogramme, hielt lächelnd für viele Erinnerungsfotos still.
Fröhliche Mienen hatten beim mühsamen Erfolg des Serienmeisters gegen das Liga-Schlusslicht auf der Ehrentribüne in der ersten halben Stunde dagegen Seltenheitswert. Wie in besten Zeiten als Führungsduo hockten Ex-Chef Karl-Heinz Rummenigge und Ehrenpräsident Uli Hoeneß nebeneinander – doch die Stars dominierten nicht wie in besten Zeiten.
Verunsichertes Team
«In so einer Phase geht es nicht darum, den Schönheitspreis zu gewinnen, sondern darum, zu gewinnen und die Tabellenführung zu übernehmen – und das haben wir geschafft», verteidigte Kahn den Auftritt des nach reichlich Rückschlägen verunsicherten Ensembles. Es sei «extrem viel Lärm» rund um den Verein, räumte Nationalspieler Leon Goretzka ein.
Kahns Blick gilt aber «nicht irgendwelchen Diskussionen», betonte der frühere Weltklassetorwart, «sondern mein Fokus gilt nur der deutschen Meisterschaft – und darum geht’s.» Ähnlich klang Hainer, der bei der Nachfrage zur Zukunft von Kahn lieber auf das noch verbliebene Titelziel verwies. «Wir konzentrieren uns alle auf das Sportliche», sagte der Präsident nach dem Sieg durch Tore von Serge Gnabry (69. Minute) und Kingsley Coman (79.). «Das Wichtigste ist, was auf dem Platz passiert, und dass wir die elfte deutsche Meisterschaft gewinnen.»
Die Aufsichtsratssitzung am 22. Mai, bei der nach dem vorletzten Spieltag und vor dem mutmaßlichen Meister-Finale die Arbeit von Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic von den Räten um Hoeneß bewertet wird, ist mindestens genauso spannend wie der Bundesliga-Titelkampf. «Es bleibt super eng – vielleicht bis zur letzten Minute des letzten Spieltages», sagte Kahn. Bremen auswärts, Schalke und Leipzig daheim sowie Köln wieder auswärts lauten die abschließenden Aufgaben für die Münchner. Wolfsburg (H), Mönchengladbach (H), Augsburg (A) und Mainz (H) die für den in Bochum gescheiterten BVB.
BVB-Geschenk genutzt
«Am Ende des Tages hat uns Dortmund ein Geschenk gemacht, das wir nutzen mussten», sagte Hainer. Nur mit der Fehlentscheidung von Schiedsrichter Sascha Stegemann wollte der Präsident den Wechsel auf der Pole-Position der Liga nicht festmachen. «Am Ende hat Dortmund 90 Minuten die Chance gehabt, die Tore zu machen – und es ist 1:1 ausgegangen.» Im Laufe eine Saison würden sich Fehlentscheidungen immer ausgleichen.
«Das ist nicht mein Bier, wir haben genug zu tun mit unserer Mannschaft», sagte Salihamidzic und hat schon sein Mai-Szenario im Kopf. «Ich würde gerne Meister werden und gerne unsere Jungs auf dem Balkon sehen und dafür werde ich alles tun.» Nebenbei werden die Personalplanungen für die neue Saison vorangetrieben.
Für das auch gegen Hertha harmlose Sturmzentrum wird nach Harry Kane (Tottenham) oder Victor Osimhen (Neapel) nun über Ollie Watkins (Aston Villa) als Neuzugang spekuliert. «Wir werden Gespräche führen, aber wir sind jetzt voll und ganz auf den Meisterkampf konzentriert», sagte der 46-Jährige. Nach dem Aus in Pokal und Champions League muss im Mia-san-Mia-Verständnis die Schale her.
Tuchel fordert weitere Schritte
Das ist auch Müllers Ziel, der mit seinem Kurz-Statement im Gehen auch Nachfragen zur erneuten Rolle als Reservist vermied. «Thomas ist super wichtig. Aber er hat ein bisschen Rückenprobleme», berichtete Tuchel. Er habe den Kapitän für die finale Phase des Spiels gebraucht. Der Umgang mit ihm sei «überhaupt nicht schwierig». Müller sei «top-top-top-professionell», sagte Tuchel. «Er ist super emotional und hat gebrannt, reinzukommen.»
Die nächsten Gegner werden die Münchner allerdings mehr fordern als es die harmlosen, aber mit Herz kämpfenden Berliner von Coach Pal Dardai taten. «Wir haben den Schritt gemacht und müssen noch vier weitere Schritte machen», sagte der geschaffte Tuchel. Nach der Pflichtspiel-Tristesse von vier Spielen ohne Sieg konnte der 49-Jährige nach turbulenten Wochen zumindest kurz durchschnaufen.