Florian Wirtz überließ auch nach seinem gelungenen Startelf-Comeback die große Bühne den Mitspielern. Die Kapuze seiner dicken Jacke tief in die Stirn gezogen schlich der Fußball-Nationalspieler nach dem 2:0 (1:0) gegen den VfL Bochum fast inkognito zum Jubel mit den Fans von Bayer Leverkusen.
Auf dem Feld agierte der 19-Jährige beim ersten Auftritt von Beginn an nach 318 Tagen auch eher unauffällig – bis auf sein Glanzlicht bei der Vorbereitung des zweiten Tors.
Auch dank Wirtz feierte der Vorjahres-Dritte den fünften Sieg in Serie und arbeitete sich nach katastrophalem Saisonstart schon bis auf Rang acht vor. Die Europacup-Ränge sind schneller als gedacht wieder in Sichtweite. «Jetzt gucke ich lieber als vorher auf die Tabelle. Wir haben fünf Siege in Folge, die Katastrophen-Hinrunde haben wir ein bisschen wett gemacht», sagte Leverkusens Robert Andrich bei Sky.
Edmond Tapsoba per Foulelfmeter (8. Minute) und Adam Hlozek auf Hereingabe von Wirtz (52.) erzielten die Treffer für Leverkusen. Für Bochum endete eine Serie von drei Siegen. Vier Erfolge nacheinander hatten die Westfalen zuletzt 1980 gefeiert. Der VfL rutschte zum Hinrunden-Abschluss wieder auf den Relegationsplatz ab. «Die Chancen, die wir gehabt haben, da hätten wir mindestens ein Tor schießen können. Das war der Unterschied heute», bemängelte Anthony Losilla.
Führung durch Elfmeter-Treffer
Man merkte beiden Teams schnell an, dass sie nach frustrierendem Start zuletzt Erfolgsserien hingelegt hatten. Wer auf die Siegerstraße kommen sollte, schien schnell klar. Bayers Flügelflitzer Moussa Diaby wurde am Ende eines Solos von Keven Schlotterbeck am Fuß erwischt. Obwohl Leverkusen die Situation zu Ende gespielt und Hlozek an VfL-Keeper Manuel Riemann gescheitert war, gab Schiedsrichter Timo Gerach aus Landau in der Pfalz bei seinem Erstliga-Debüt nach Videobeweis Elfmeter. Der 36 Jahre alte Unparteiische steht eigentlich nicht auf der 24 Namen umfassenden Liste der Bundesliga-Schiedsrichter, bekam aber im Rahmen eines Modells von Schiedsrichter-Boss Lutz-Michael Fröhlich eine Chance. Es war bereits der elfte Elfer gegen Bochum in dieser Saison.
Wirtz trat aber noch nicht zum Strafstoß an, sondern überließ den Ball Tapsoba. Der Abwehrspieler aus Burkina Faso, in Portugal zuvor ein sicherer Schütze mit neun Treffern in neun Versuchen in allen Wettbewerben für Vitória Guimarães, drosch seinen ersten Bundesliga-Elfer unhaltbar unter die Latte. Die mutigen und selbstbewussten Bochumer hätten fast direkt den Ausgleich erzielt, doch Takuma Asano, seit dem 2:1-Siegtreffer bei der WM in Katar japanischer Deutschland-Schreck, scheiterte zunächst an Bayer-Keeper Lukas Hradecky, Piero Hincapié schlug den Ball vor der Linie weg. In der 13. Minute bejubelte Leverkusen schon das vermeintliche 2:0 von Diaby, der hatte aber im Abseits gestanden.
Fans erheben sich bei Wirtz-Auswechslung
Und Wirtz? Der 19-Jährige, der sich im März einen Kreuzbandriss zugezogen hatte und am Sonntag beim 3:2 in Mönchengladbach zu einem ersten 15-Minuten-Einsatz gekommen war, hatte im zentralen Mittelfeld viele Freiheiten. Es war zunächst aber nicht wieder eingebunden wie zuvor, auch fehlte ihm logischerweise das sonst so beeindruckende Selbstverständnis in seinen Aktionen. Nur ein Torschuss, eine Torschussvorlage und 21 Ballkontakte standen bis zur Pause für ihn in der Statistik.
Dafür war er fleißig, kein anderer Leverkusener lief mehr. Und fand so langsam ins Spiel. Zwei Minuten nach der Pause war er bei einer Torchance noch zu zaghaft, dann bereitete er Hlozeks Treffer mit einer scharfen Hereingabe vor. Als er nach 71 Minuten und 45 Ballkontakten ausgewechselt wurde, erhoben sich die Zuschauer und feierten ihn.