Die sonst beim Geld zerstrittene Fußball-Bundesliga ist sich in einem Punkt ausnahmsweise einig: Die Liga erlöst viel zu wenige Millionen aus der Auslandsvermarktung der Fernsehrechte.
Schon bei der Diskussion der Gründe zeigt sich freilich wieder die Zerrissenheit – wie jetzt bei den Fernreisen von Bayern München nach Asien und von Borussia Dortmund in die USA deutlich wird.
Der Meister und der Vize-Meister legen bei ihren PR-Touren zehntausende von Kilometern zurück. Sie bereiten sich in anderen Zeit- und Klimazonen auf den Saisonstart vor und kritisieren mehr oder weniger deutlich alle anderen Clubs. «Ich bin der Meinung, dass sich die Bundesliga da deutlich mehr anstrengen müsste», klagte Bayern-Präsident Herbert Hainer auf der ersten Reisestation der Münchner in Tokio.
Borussia Dortmund sieht das ähnlich. Marketing-Chef Carsten Cramer forderte: «Wir müssen etwas für die Internationalisierung tun. Wir können nicht immer nur sagen, die Bundesliga hinkt hinterher.» Mit Blick auf die anderen Bundesligisten sagte Cramer: «Man kann das nicht beklagen, ohne etwas dagegen zu machen.»
«Die Premier League treibt uns in den Wahnsinn»
Nur die Dortmunder mit ihrem Trip in drei US-Städte und die Bayern mit ihrem Aufenthalt in Japans Hauptstadt und inzwischen Singapur gehen in diesem Sommer weite Wege. Bei der Premier League dagegen seien gleich zehn Vereine in der weiten Welt unterwegs, klagte BVB-Manager Cramer: «Wir müssen auch in die Märkte gehen, in denen sich die Menschen für die Bundesliga interessieren.»
Wie sehr diese hinter den eigenen Zielen hinterherhinkt, machte Karl-Heinz Rummenigge vor wenigen Wochen deutlich. Als Einnahmen seien aus der Auslandsvermarktung einmal 800 Millionen Euro pro Saison geplant gewesen, sagte das Mitglied des Bayern-Aufsichtsrates beim Kongress SpoBis. Er rechnete für die vergangene Saison vor: «Wir sind jetzt bei 160 Millionen.» Immerhin: Inzwischen ist Geld dazugekommen. In der kommenden Spielzeit werden es nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur rund 200 Millionen sein.
Rummenigge klagte: «Die Premier League treibt uns in den Wahnsinn.» Deren Verträge für die Auslandsvermarktung bringen derzeit für drei Spielzeiten 5,3 Milliarden Pfund ein, also umgerechnet rund 2,05 Milliarden Euro pro Saison. Die englische Liga kassiert also mehr als das Zehnfache verglichen zur Bundesliga. Rummenigges vernichtendes Urteil: «Wir sind katastrophal aufgestellt in der Auslands-TV-Vermarktung.»
Die DFL schweigt zu dem Streitthema
Wessen Schuld ist das? Warum fehlten nach Rummenigges Rechnung zuletzt 640 Millionen Euro pro Spielzeit gegenüber den ursprünglichen Zielen? Am liebsten suchen die Clubs die Antworten in Frankfurt, wo die Deutsche Fußball Liga (DFL) sitzt. Bayern-Präsident Hainer sieht zwar die Clubs bei den Reisen in der Pflicht, fügte aber grundsätzlich an: «Da muss auch die DFL ein Konzept vorgeben, wie wir das gemeinsam mit den einzelnen Vereinen auch umsetzen können.»
Abgesehen davon, dass während der Corona-Krise durch Ausfälle in China und im arabischen Raum zwischenzeitlich rund 90 Millionen Euro weniger in die Kassen kamen, haben die DFL-Vermarkter Wettbewerbsnachteile, die von der Zentrale nicht gelöst werden können. Die Premier League bietet fast alles, was es für die Auslandsvermarktung braucht und was die Bundesliga nicht zu bieten hat. Sie bietet fast jedes Jahr einen spannenden Titelkampf und keinen Serienmeister. Dazu kommen mehrere weltweit bekannte Marken wie Manchester United oder FC Liverpool, globale Stars und internationale Erfolge.
Die DFL schweigt bei dem Streitthema. Zur Auslandsvermarktung wollen sich die neuen Geschäftsführer Marc Lenz und Steffen Merkel derzeit nicht äußern. Bei ihrer Vorstellung hatte Merkel vor ein paar Wochen immerhin zur geplanten digitalen Medienplattform gesagt: «De facto hätten wir eine strategische Option, wenn Märkte sich nicht entwickeln.» Das ist aber ein sehr langfristiges Projekt, das zudem hohe Investitionen benötigt.
Zumindest kurzfristig können PR-Trips helfen, die von der DFL auch finanziell unterstützt werden. Bayern-Trainer Thomas Tuchel sieht die Fernreisen als «Bestandteil eigentlich jedes europäischen Topclubs». Klar: Sie seien «sehr anstrengend, aber mit attraktiven Spielen. Es ist die neue Art der Trainingslager. Ich habe damit kein Problem.»