Der große Zlatan Ibrahimovic steht im Mittelkreis und kämpft mit den Tränen. 70.000 Fans im Giuseppe-Meazza-Stadion von Mailand jubeln, klatschen, weinen.
Dann nimmt der Ausnahmestürmer das Mikrofon und sagt: «Es ist der Moment gekommen, dem Fußball Ciao zu sagen.» Der Satz scheint ihm schwerer zu fallen als die meisten seiner vielen, vielen Tore. Auf der Ehrenrunde in schwarzer Hose und schwarzem Hemd beißt sich der 41 Jahre alte Schwede immer wieder auf die Lippen und formt mit den Fingern ein Herz.
Nach mehr als zwei Jahrzehnten – die meiste Zeit davon Weltklasse – hat Ibrahimovic am späten Sonntagabend seine aktive Karriere beendet. «Heute war mein letzter Tag als Fußballprofi», sagte er. Wegen einer Verletzung konnte er nicht mehr selbst auf dem Platz stehen, sondern sah seiner AC Mailand beim 3:1-Erfolg über Hellas Verona am finalen Serie-A-Spieltag als Ehrengast von außen zu. Nach dem Schlusspfiff standen die Teamkollegen Spalier und begleiteten Ibrahimovic im Anschluss an die kurze Rede auf die letzte Stadionrunde.
«Abschied des Königs»
Vom «Abschied des Königs» berichtete die «Gazzetta dello Sport» auf ihrer Titelseite. Die Milan-Fans hatten Ibrahimovic schon vor Anpfiff des Verona-Spiels in einer eigenen Choreografie mit dem ehrfürchtigen Wortspiel «Godbye» verabschiedet.
In Schweden überwogen danach Ehrfurcht und Herzenswärme. Der führende Fußballexperte Erik Niva bezeichnete Ibrahimovic als «den größten Fußballer, den wir je hatten, den bedeutendsten Schweden dieses Jahrtausends». In der Zeitung «Aftonbladet» schrieb er: «Zlatan Ibrahimovic hat eine ganze Nation beeinflusst.»
Und es gab nur wenige Fußballer, die so von sich überzeugt waren wie Ibrahimovic. «Ich muss einfach darüber lachen, wie perfekt ich bin», sagte er einmal. Seine Coolness verlor er erst in der vergangenen Woche, als er entschied, die Profilaufbahn zu beenden. Dies verriet er niemandem, auch nicht seiner Frau Helena und den beiden Söhnen. In den Stunden vor dem Spiel gegen Hellas sei er «wie ein Zombie» herumgelaufen, «es waren einfach zu viele Emotionen», erzählte er. «Es war eine lange Karriere. Ich bin stolz und glücklich.»
Mehr als 500 Tore in sieben Ländern
In fast 1000 Profispielen für neun Vereine in sieben Ländern auf zwei Kontinenten zählen die Statistiker mehr als 500 Tore. Ibrahimovic wurde unter anderem Meister in Italien (Inter, Milan), Spanien (FC Barcelona), Frankreich (Paris Saint-Germain) und den Niederlanden (Ajax Amsterdam), gewann mit Manchester United die Europa League und mit Barcelona den europäischen Supercup sowie die Club-WM.
Der Sohn von jugoslawischen Einwanderern wuchs im Malmöer Problemviertel Rosengård auf und lernte bei Malmö FF das Fußballspielen. Von dort ging er nach Amsterdam, dann zu Juventus Turin und hinaus in die weite Welt, bis in die USA zu Los Angeles Galaxy. «Ich kam, sah und eroberte», sagte er im Stil eines Feldherrn beim Abschied aus Kalifornien. 2012 bekam der Ausnahmestürmer sogar ein eigenes Wort im schwedischen Wörterbuch – zlatanieren als Ausdruck für stark dominieren.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Ibrahimovic die allergrößten Triumphe verwehrt blieben. Er gewann weder die Champions League mit einem seiner Topclubs noch einen Titel mit der Nationalmannschaft. «Wenn du nur einmal für @FCBayern gespielt hättest… Dann hättest du auch einmal die Champions League gewonnen», schrieb Bastian Schweinsteiger in den sozialen Medien am Montag neben zwei Smileys. Sie waren bei ManUnited kurzzeitig Teamkollegen.
Spektakuläre Tore
Neben seinen Sprüchen waren es vor allem einzelne Momente auf dem Platz, die unvergessen bleiben: 2012 etwa erzielte er in einem Länderspiel gegen England ein Fallrückzieher-Tor von weit außerhalb des Strafraums. Mit einem artistischen Treffer per Hacke schockte er bei der EM 2004 Italien, das in der Gruppenphase ausschied. «Er ist der mit Abstand beste Spieler, den wir in diesem Land gehabt haben», sagte Nationaltrainer Janne Andersson dem schwedischen Rundfunksender SVT.
Nun will sich der Altmeister erst mal ausruhen und «den Sommer genießen», wie er ankündigte. Auf die Frage, ob er sich denn eine Zukunft im Fußball etwa als Trainer vorstellen könnte, antwortete er am späten Sonntagabend, dass dieser Job mit einer großen Verantwortung und weniger Freiheiten verknüpft sei. «Ich kann nicht als Trainer mit dem Ferrari zum Training kommen», sagte er schmunzelnd. «Wobei…, Ibra kann vielleicht auch das.»
Royale Grüße zum Abschied
Auch royale Grüße gab es zum Abschied und das schwedische Königshaus reihte sich in die Lobeshymnen zum Karriereende ein. «Wir möchten Zlatan Ibrahimovic für alles danken, was er für den schwedischen Fußball und für Schweden getan hat», schrieben Kronprinzessin Victoria und ihr Ehemann Prinz Daniel auf Instagram. «Eine der schönsten Sportkarrieren jemals. Wir sind voller Bewunderung und Dankbarkeit.» Dazu stellten sie ein Foto ihrer Kinder Prinzessin Estelle und Prinz Oscar – natürlich im Milan-Trikot.
Auch Schwedens Regierungschef Ulf Kristersson stimmte in die warmen Worte für Ibrahimovic ein. «Zlatan ist nicht nur einer von Schwedens erfolgreichsten Fußballern aller Zeiten, sondern auch weltweit», schrieb er auf Instagram. Er sei ein Vorbild und eine Inspiration für viele. Ibrahimovic‘ früherer Verein Malmö FF twitterte: «Eine lange und erfolgreiche Karriere begann in Malmö und endete in Mailand. Viel Erfolg für das Leben außerhalb des Fußballs.»