Der Aufschwung der Frauen im Fußball in diesem Jahr lässt sich auch an Nicole Kumpis erzählen.
Die zurzeit einzige Präsidentin im Profifußball der Männer schildert gerne eine Begegnung, die zeigt, dass ihr Engagement als Oberhaupt beim Zweitligisten Eintracht Braunschweig immer noch nicht selbstverständlich ist. Als sie vor einiger Zeit Leichtathletik-Mädchen beim Training zuschaute, habe eine der jungen Athletinnen sie angesprochen: «Du bist unsere Präsidentin? Das kann man hier auch werden?», erinnert sie sich.
Kumpis berühren Anekdoten wie diese. Mittlerweile tritt sie als Sprachrohr eines weiblicheren Fußballs auf. «Ich finde es gut, für diese Themen in der Öffentlichkeit zu stehen. Es wäre aber besser, wenn es gar keine Besonderheit mehr wäre und ich nicht die einzige Präsidentin im Profifußball», sagte die 48-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Es ist eine junge und moderne Generation, die sie erreichen will. Sie beschreibt die Vorgehensweise mit dem Bild des steten Tropfens, der den Stein höhlt. «Je öfter man darüber spricht, desto normaler wird es», sagt sie.
«Wir sind viel nahbarer»
Ein überdimensionierter Männer-Fußball mit Millionen-Gehältern und Goldsteaks hat bei einigen Fans zu einer Abkehr geführt. Kumpis will sich dieser Entwicklung widersetzen: «Wir sind viel nahbarer als Verein in dieser Stadt, als einige große europäische Clubs, die seit Jahren auf einem Weg sind, die der einfache Fan einfach nicht mehr nachvollziehen kann», sagt sie. Auch in der Bundesliga beobachtet sie mit Skepsis den Weg von «drei, vier Clubs, die sich zunehmend entfernen» und eher europäisch oder weltweit orientierten.
Im März wurde Kumpis zur ersten Präsidentin in der Historie des Zweitliga-Aufsteigers gewählt. Sie ist aktuell die einzige Frau, die einen der insgesamt 56 Clubs in den ersten drei Profiligen anführt. Und sie ist auch die erste Frau seit 30 Jahren, die das im deutschen Profifußball tut. «Die Wahl meiner Person war sicherlich auch eine bewusste Wahl von vielen Frauen und Mädchen aus dem Verein heraus. Für viele im Verein ist das ein Zeichen», sagt sie.
Nicht nur für Kumpis war es ein bedeutendes Jahr. Für die fußballbegeisterten Frauen in Deutschland ebenso. Auch dank der Euphorie rund um die deutsche Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft schnellten die Zuschauerzahlen in der Frauen-Bundesliga in die Höhe. Eintracht Frankfurt sorgte zum Auftakt der Saison mit 23.200 Zuschauern für den bisherigen Liga-Bestwert. Schon nach dem neunten Spieltag empfingen die Frauen-Erstligaclubs 173.438 Fans und damit mehr als in der gesamten bisherigen Rekord-Saison 2013/2014. Nationaltorhüterin Merle Frohms – Spielerin beim deutschen Meister VfL Wolfsburg – lobt die Entwicklung in Braunschweig. «Es ist einfach schön, dass es scheinbar nicht unmöglich ist, Frauen in Führungspositionen zu platzieren.»
Kumpis begrüßt Entwicklung
In erster Linie hat Kumpis mit Frauenfußball nur zweitrangig etwas zu tun, die Eintracht-Frauen spielen in der Oberliga. Die Präsidentin begrüßt die generelle Entwicklung jedoch. Sie hält es für wichtig, über den Tellerrand hinauszuschauen: «Es gibt Vernetzungen mit starken Frauen im deutschen Fußball.» Eine starke Frau hat sie zuletzt allerdings verloren: Kumpis galt als Befürworterin von Donata Hopfen, die zum Jahresende nicht ganz freiwillig als Geschäftsführerin der Deutschen Fußball Liga abtritt.
Kumpis kritisiert die aus ihrer Sicht fehlende Motivation mancherorts, die mit Männern besetzten Machtzirkel zu durchbrechen. «Die Menschen dafür gibt es», sagt sie. Sie höre öfters, dass man keine Frau für einen bestimmten Posten gefunden habe. Sie sagt dann gerne: Vielleicht habt ihr nicht gut genug hingeguckt. Zur Benennung des eingesetzten Beraterkreises um ausschließlich männliche Akteure wie Karl-Heinz Rummenigge und Oliver Kahn, der sich um die sportliche Zukunft des DFB kümmern soll, wollte sie sich nicht äußern. Ihre Meinung dazu dürfte klar sein.
Mittlerweile wird Kumpis bei allen möglichen Themen, die das Thema Diversität betreffen, hinzugezogen. Stört sie das manchmal? «Nein», bekräftigt sie, für sie sei die Angelegenheit zu wichtig. In erster Linie ist sie Braunschweig-Präsidentin. Ihr Bild auf den Club habe sich durch die neue Rolle gar nicht so gewandelt. «Es ist immer noch die gleiche Begeisterung», sagt sie. Verändert habe sich das Gefühl am Spieltag. «Ich komme klassisch aus der Südkurve und habe da immer noch meine Dauerkarte. Jetzt in Verantwortung zu sein ist anders, als mit Freunden in der Kurve zu stehen, das Spiel zu schauen und ein Bier zu trinken.»