Handball-Manager Bob Hanning hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft für die schwache Vorstellung bei der WM in Katar mit scharfen Worten kritisiert und dafür auch gesellschaftliche Gründe angeführt.
Er könne sich nicht «an einen ähnlich trostlosen Turnierauftritt» einer DFB-Auswahl erinnern, schrieb der Geschäftsführer des Bundesliga-Spitzenreiters Füchse Berlin und ehemalige Vizepräsident des Deutschen Handballbundes in einem Essay für den «Tagesspiegel». Sein Urteil: «Ohne Feuer. Ohne Eifer. Ohne Ehrgeiz. Ohne Mumm. Vom Gefühl her immer ein bisschen drüber, als wenn man sich für etwas Besseres hält.»
Hanning bemängelte, es habe bei der Endrunde sowohl auf als auch neben dem Platz keinen Plan, keine Leistung und kein Konzept gegeben. «Wir haben bei der Weltmeisterschaft genau die Nationalmannschaft bekommen, die wir aktuell verdienen. Sie ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Das Resultat der Fußball-WM in Katar ist das Ergebnis einer jahrelangen Misswirtschaft, die im besten Fall auf Besitzstandswahrung aus ist, im Prinzip aber zu nichts als sukzessivem Abstieg führt», befand der 54-Jährige. Im Prinzip müsse man «dem deutschen Team dankbar sein, weil es zeigt, wie unsere Gesellschaft momentan tickt: Satt, träge, selbstgerecht».
Hanning benennt Missstände beim DFB
Auch die DFB-Führung bekam nach dem blamablen Vorrunden-Aus ihr Fett weg. Sie habe es versäumt, den Fokus der Mannschaft auf das Wesentliche zu lenken – den Sport. Damit spielte Hanning vor allem auf die Debatte um die vom Fußball-Weltverband verbotene «One-Love»-Kapitänsbinde an.
Seiner Ansicht nach hätte man sich entweder für einen WM-Boykott entscheiden oder vor Ort den Dialog suchen sollen, «ohne uns dabei als Werte-Polizei aufzuspielen und dabei alles auf der medialen Bühne auszubreiten. Die deutsche Delegation hat nichts von beidem beherzigt und sich stattdessen für einen peinlichen Schlingerkurs entschieden», bemängelte Hanning. Dadurch sei der Eindruck entstanden, dass Marketinginteressen über vermeintlichen Überzeugungen gestanden hätten sowie «Show und schöner Schein über dem glaubwürdigen Interesse, Veränderungen anzustoßen».
Generell warnte Hanning davor, «den Sport als Moralapostel über gesellschaftliche Themen hochzustilisieren. Dinge, die die Politik mit ihrer perfiden Doppelmoral nicht hinbekommt, kann und darf der Sport nicht leisten (wollen). Eine solche Überhöhung unseres Metiers halte ich für null zielführend, wir können uns bei diesen Themen nur verheben». Sein Fazit: «Der Deutsche Fußball-Bund und seine Mannschaft haben bei der WM ein besorgniserregendes Bild abgegeben. Es muss ein radikales Umdenken stattfinden, sonst demontieren wir uns selbst.»