Für drei Minuten draußen, dank Deutschland noch drin im Turnier und der Trainer nahe am Herzinfarkt. Spaniens Mannschaft und der ganzen Fußball-Nation sitzt der Schreck nach der 1:2-Niederlage gegen Japan bei der WM noch in den Gliedern.
«Gracias, Alemania», titelte «Mundo Deportivo» nach dem denkwürdigen Fußball-Abend in Katar, das Fachblatt «As» schrieb es in dicken Lettern sogar auf Deutsch: «Danke!»
Eigentlich hatten sich die beiden Trainer Luis Enrique und Hansi Flick nach dem 1:1 zwischen den beiden Ex-Weltmeistern Spanien und Deutschland für das Finale am 18. Dezember im Lusial Stadion verabredet – «als wären wir ein Paar», so der spanische Coach damals launig. Am Ende aber war die gegenseitig versicherte Zuneigung nicht groß genug: Mit der Pleite gegen Japan sorgte Spanien mit dafür, dass die DFB-Auswahl nach Hause fliegen musste. Deutschlands wenig ruhmreiche Auftritte und das dünne 4:2 gegen Costa Rica zum Schluss wiederum verhalf den Spaniern mit in die K.o.-Phase des Turniers.
Enrique: «Wie? Wir waren draußen?»
Luis Enrique war nach dem Thriller-Abend viel zu sehr mit sich und seinem Team beschäftigt, als dass ihn in dem Moment das Schicksal von Flick nahe gehen würde. Seine Spieler und die Japaner auf dem Platz wussten sehr genau, dass das 1:2 beide Teams ins Achtelfinale bringen würde – und schlossen in der Schlussphase eine Art Nichtangriffspakt. Für Spanien heißt dies: Marokko statt Kroatien im Achtelfinale, Deutschland als möglicher Rivale raus und ein drohendes WM-Viertelfinalduell mit Brasilien geschickt umschifft.
Luis Enrique erfuhr erst in der Pressekonferenz, dass bei dem munteren Rechenspiel am letzten Vorrundenspieltag seine Mannschaft zwischendurch für drei Minuten sogar aus dem Turnier war: «Wie? Wir waren draußen? Ich wusste es nicht, ich war aufs Spiel konzentriert. Ich hätte sonst einen Herzinfarkt bekommen», sagte der 52-Jährige im Chalifa International Stadion von Al-Rajjan entsetzt. «Que susto!», lautete auch die Schlagzeile bei Sport». «Welch ein Schreck!»
«Zehn Minuten Panik»
Der Spanien-Coach sprach von «zehn Minuten Panik» angesichts von zwei Gegentoren direkt nach der Pause. Und: «Fußball ist manchmal ein unerklärlicher Sport.» Das Siegtor durch den Düsseldorfer Profi Ao Tanaka (51. Minute) war erst nach minutenlangem Videobeweis gegeben worden. Der Ball hatte vor der Hereingabe von Kaoru Mitoma nach Ansicht der Spanier die Torauslinie überschritten.
Luis Enrique war von den im Netz kursierenden Fotos des Balles in dem Moment regelrecht irritiert. «Ich habe ein Bild gesehen, das muss manipuliert sein. Das kann nicht das wirkliche Bild sein. Es muss manipuliert sein», sagte er und rätselte kurz nach Mitternacht: «Ich habe gemerkt, dass etwas Seltsames passiert sein muss, weil der VAR so lange dauerte.» Sein japanischer Kollege Hajime Moriyasu sagte ohne die Miene zu verziehen: «Wir haben jetzt eine fantastische Technologie im Fußball: Wenn der Ball draußen gewesen wäre, hätte das Tor nicht gegolten.»
Das deutsche Aus? «Das ist Fußball»
Die Stimmungskurve beim spanischen Weltmeister von 2010 ist jedenfalls vor dem ersten K.o.-Spiel am Dienstag (18.00 Uhr) gegen Marokko erst einmal abgekippt: Einerseits sieht der Turnierbaum nun freundlicher aus. Andererseits sah Spanien wahrlich nicht aus wie ein Turnierfavorit. «Ich habe nichts zu feiern, ich bin überhaupt nicht zufrieden. Wenn Japan noch zwei Tore mehr gebraucht hätte, hätten sie uns die rein gemacht», sagte Luis Enrique sichtlich aufgebracht. Er müsse jetzt «die Laune der Spieler heben».
Bei den Japanern ist diese ähnlich euphorisch wie nach dem 2:1-Coup zum Auftakt gegen Deutschland. Auf sie wartet mit Kroatien nun der WM-Zweite von 2018. «Jeder spricht von einem Wunder, aber das sehe ich nicht so. Wir sind immer aggressiver geworden», sagte Tanaka, der im defensiven Mittelfeld überraschend den Vorzug vor Stuttgarts Wataru Endo erhalten hatte. Und das deutsche Aus? «Das ist Fußball», kommentierte Tanaka salopp. Durch den Ausgang des Stadions schlenderten spanische und japanische Profis gut gelaunt und mit fröhlichen Mienen.