Die Fußball-Helden von Eintracht Frankfurt stürmten sofort auf den Platz, tanzten und sangen mit ihren Fans. Matchwinner Filip Kostic schnappte sich nach dem selbst ernannten Jahrhundertspiel direkt den Spielball.
Angetrieben von den 30.000 eigenen Anhängern haben die Hessen ein kleines Stück Fußball-Geschichte geschrieben und den großen FC Barcelona denkwürdig aus der Europa League geworfen. Im legendären Camp Nou setzte sich das Team von Trainer Oliver Glasner furios mit 3:2 (2:0) durch und zog damit wie 2019 ins Halbfinale des Wettbewerbs ein. Als die Barca-Hymne nach Abpfiff erklang, gab es bei Kostic und Co. kein Halten mehr. Sie drehten eine Ehrenrunde im Stadion.
«Es war perfekt, so wie es war», sagte Torwart Kevin Trapp bei RTL und blickte schon auf das Halbfinale: «Wir haben heute gezeigt, dass wir uns vor niemanden verstecken müssen. Natürlich wollen wir ins Finale.» Am 28. April und 5. Mai geht es nun gegen West Ham United, der zweite europäische Triumph nach dem UEFA-Pokal-Sieg 1980 scheint nach dem Riesencoup gegen den Topfavoriten absolut greifbar. Das Finale wird am 18. Mai in Sevilla ausgetragen, auch RB Leipzig ist noch dabei.
Vor insgesamt rund 90.000 Zuschauern erzielten Filip Kostic (4. Minute/Foulelfmeter/67.) und Rafael Borré (36.) die Tore der Eintracht, die keinen Funken Nervosität zeigte und absolut verdient weiterkam. Für den hochdekorierten Club aus Spanien ist es nach dem vorzeitigen Aus in der Champions League der nächste Tiefschlag.
In der wilden Nachspielzeit verkürzte erst Kapitän Sergio Busquets (90.+1). Dann versenkte Memphis Depay (90.+10) einen Foulelfmeter. Zuvor hatte Frankfurts Evan Ndicka (90.+10) auch noch Gelb-Rot gesehen. Doch es reichte für den Favoriten nicht mehr. «Das ist beine riesige Enttäuschung», gestand Barcelonas Trainer Xavi Hernandez ein. «Eintracht Frankfurt war besonders in der ersten Halbzeit besser. Wir haben es in der zweiten Hälfte versucht. Aber wir waren nicht gut genug.»
Ein einmaliger Feiertag für die Hessen
Die Frankfurter Spieler und Trainer Glasner standen, saßen, sangen und feierten noch lange nach Schlusspfiff vor und mit ihren Fans. Es war die Fortsetzung eines hessischen Party-Tages in der katalanischen Metropole. Mehr als 30.000 Fans waren extra und teilweise unter größten Anstrengungen angereist. Pünktlich zum Spieltag herrschte auch optimales Frühlingswetter bei knapp 20 Grad. Und die Eintracht-Fans waren überall: auf den großen Plätzen der Stadt, entlang der Ramblas, am Hafen, am Strand.
Vereinspräsident Peter Fischer trank am Plaça de Catalunya Dosenbier mit den Fans, die sich fast alle in weiß kleideten – der Farbe von Barças Erzrivale Real Madrid – und dann in riesigen Scharen zum Stadion zogen. «Europas beste Mannschaft» erklang es immer wieder, die Touristen auf den Sightseeing-Bussen bekamen eine sonst nie dargebotene Attraktion in Barcelona zu sehen.
Im Stadion herrschte mit Anpfiff fanatische – sonst eher aus Südamerika bekannte – Stimmung, was nicht nur an der riesigen Anzahl an Eintracht-Anhängern lag. Doch im Fanblock der Katalanen kehrte schnell Ruhe ein, als Eric Garcia Gegenspieler Jesper Lindström schon nach zwei Minuten tölpelhaft zu Boden riss. Den folgenden Strafstoß verwandelte Kostic sicher gegen Nationaltorhüter Marc-André ter Stegen. Weitere Gelegenheiten ließen die Gäste zunächst liegen, weil Borré in Kontersituation wiederholt zu unpräzise abspielte.
Hitzig, emotional und abwechslungsreich
Mit der Führung im Rücken legte die Glasner-Elf ihre Aufmerksamkeit erstmal auf die Defensive. Torschütze Kostic agierte zeitweise als Linksverteidiger einer Fünferkette. Barças Flügelspieler Ousmane Dembélé und Ferran Torres hatten zwar starke Einzelaktionen, doch die Eintracht warf ihnen immer wieder drei oder vier Gegenspieler entgegen.
Die Partie verlief hitzig, emotional und abwechslungsreich. Ansgar Knauff, der schon im Hinspiel mit einem Traumtor hervorstach, startete ein sehenswertes Solo, doch der Abschluss geriet diesmal zu harmlos. Was man von Borrés Schuss gar nicht behaupten konnte: Der zuvor unglücklich agierende Kolumbianer nahm aus gut 20 Metern Maß und vollendete wuchtig zum 2:0.
Nach der Pause blieb der Unterrang in Barcelonas Kurve plötzlich leer, weil die Anhänger offenbar gegen die Ticketpolitik des Vereins protestierten. Ihnen waren die 30.000 Frankfurter im Camp Nou zu viel, das verblüffende Ergebnis tat ihr Übriges. Nach rund zehn Minuten kamen sie lautstark zurück.
Als Kostic über links durchbrach und beinahe spielerisch leicht für das dritte Tor sorgte, schien die Sache erledigt und ein eigentlich für den Champions-League-Sieg gebautes Team endgültig geschlagen zu sein. Zehntausende Frankfurter sangen lautstark «Oh, wie ist das schön» und überstimmten damit auch die Anhänger der Gastgeber. Später hieß es gar: «Einer geht noch, einer geht noch rein.» Doch mussten sie die spannende Schlussphase überstehen. Der Abpfiff war dann der Start in eine lange Feier-Nacht.