Hansi Flick sichtet bis zum letzten Moment. Am Mittwochabend war auch noch ein Besuch des Bundestrainer in Mainz geplant, um beim Bundesliga-Nachholspiel des FSV gegen Borussia Dortmund mögliche Kandidaten für die anstehenden Fußball-Länderspiele gegen Israel und die Niederlande zu begutachten.
Am Freitag werden von Flick bei der Bekanntgabe des ersten DFB-Kaders im WM-Jahr erste Fingerzeige für das große Titelziel Ende 2022 in Katar erwartet.
Flick brennt darauf, nach über vier Monaten Winterpause seit dem 4:1 in Armenien endlich wieder vom Homeoffice auf den Trainingsplatz wechseln zu können. «Es ist schön, wie alle mitziehen. Jeder will dabei sein in Katar, jeder will Weltmeister werden», sagte Flick jüngst in der ARD. Erstaunlich forsch rief der 57-Jährige da den WM-Titel als «unser Ziel» aus. «Da stapeln wir nicht tief», sagte Flick selbstbewusst. Auch DFB-Direktor Oliver Bierhoff sieht «das vorhandene Potenzial» dafür. Als offizielle Turnier-Vorgabe an Flick gab dessen Vorgesetzter Bierhoff mindestens das Halbfinale aus.
31 eingesetzte Spieler unter Flick
31 Spieler hat Flick in seinen ersten sieben Länderspielen, die er alle gewinnen konnte, eingesetzt. Immer zum Einsatz kamen dabei Thilo Kehrer (Paris Saint-Germain) und Gladbachs Jonas Hofmann, der aber wegen einer Muskelverletzung die ersten Länderspiele 2022 in Sinsheim gegen Israel (26. März) und in Amsterdam gegen die Niederlande (29. März) verpasst. Erfolgreichste Torschützen bei Flicks Rekordstart als Bundestrainer waren Chelsea-Profi Timo Werner (5 Treffer) sowie das Bayern-Duo Serge Gnabry und Leroy Sané (je 4).
Größtenteils scheinen die 23 WM-Plätze vergeben, auch wenn Flick die Tür offen lässt. «Es ist schon so, dass wir viele Spieler anschauen und im Visier haben. Auch unsere U21 hat den einen oder anderen talentierten Spieler im Kader», sagte er. Der Mainzer Angreifer Jonathan Burkardt fällt einem bei der U21-Auswahl spontan ein.
Schlotterbeck spielt sich in den Fokus
Außen vor bleibt unter Löw-Nachfolger Flick Abwehr-Veteran Mats Hummels (33), der wohl beim EM-Aus gegen England sein 76. und letztes Länderspiel bestritten haben dürfte. Es gibt jüngere Verteidiger, die in den WM-Fokus drängen, etwa Nico Schlotterbeck vom SC Freiburg.
Der 22-Jährige hat sich in dieser Saison mit guten Leistungen ins Visier von Borussia Dortmund und neuerdings sogar Bayern München gespielt. Flick hat Schlotterbeck schon mehrfach zum DFB-Team eingeladen, aber noch nicht eingesetzt. Das könnte nun gegen Israel passieren. Erst am vergangenen Wochenende schoss der kraftstrotzende Innenverteidiger vor Flicks Augen Freiburgs Siegtor gegen Wolfsburg. Danach sagte er: «Ich hoffe, dass der Bundestrainer mich jetzt nominiert.» Auch für Schlotterbeck ist die WM das große Fernziel.
Schlüsselrolle für Havertz
Als erfahrener Trainer weiß Flick freilich, wie fragil Planungen für ein Turnier sind. Größte Gefahrenherde sind Formkrisen und noch mehr Verletzungen. Das vergangene Wochenende lieferte den Beweis mit der schweren Kreuzbandverletzung von Leverkusens Supertalent Florian Wirtz (18). Auch Flick war «spontan erstmal geschockt».
Ein ehemaliger Leverkusener soll in Flicks WM-Puzzle derweil eine ganz große Rolle bekommen: Kai Havertz. Der 22-Jährige ist in England beim FC Chelsea zu einem Spieler gereift, der Endspiele entscheidet. Havertz schoss Chelsea 2021 im Champions-League-Finale zum Titel. Und er wiederholte das Kunststück im Februar im Endspiel der Club-WM.
«Man merkt einfach, dass er da ist, wenn es drauf ankommt», lobte Flick. Einen Spielentscheider braucht der Bundestrainer auch in Katar. «Genau so möchte ich Kai auch bei uns sehen.» Nur dreimal kann Flick die Nationalmannschaft vor der direkten Vorbereitung auf die am 21. November beginnende Winter-WM versammeln. Auf die anstehenden zwei Testspiele folgen noch sechs knackige Nations-League-Partien im Juni und September gegen Europameister Italien, EM-Finalist England und Ungarn. Für Flick sind diese Spiele wichtige «Gradmesser», die das DFB-Team «auf dem Weg zur WM ein Stück weiterbringen» sollen.