Im Berliner Super-Chaos hatte Fredi Bobic keine andere Wahl. Im Sonnenschein fuhr der Geschäftsführer von Hertha BSC um kurz nach zehn Uhr vor dem roten Backsteinhaus auf dem Olympia-Gelände vor.
Keine 90 Minuten später war das Aus des von ihm selbst erst vor 104 Tagen als Trainer-Retter geholten Tayfun Korkut nach einer Krisensitzung der Hertha-Granden um Präsident Werner Gegenbauer auch offiziell besiegelt. Bobic brauste in seiner Elektro-Limousine schnell wieder davon.
«Nach verheißungsvollem Start haben wir nun offen und klar die Entwicklung der Leistungen und Ergebnisse analysiert. Wir sind zu dem Entschluss gekommen, eine nochmalige Veränderung vorzunehmen», ließ sich Bobic in einem Club-Statement zitieren.
Absturz auf einen Abstiegsplatz
Nach dem 0:2 im Krisen-Gipfel bei Borussia Mönchengladbach und dem Absturz auf den 17. Tabellen-Platz der Fußball-Bundesliga brauchen die Berliner nach Monaten des sportlichen Niedergangs und der immer lauter vernehmbaren internen Streitigkeiten zwischen Club-Führung und Millionen-Investor Lars Windhorst erst einmal den nächsten Chefcoach – immerhin schon die Nummer sieben in knapp drei Jahren. Wer den Abstieg in die Zweitklassigkeit im Saison-Endspurt von nur noch acht Spielen verhindern soll, konnte Bobic auch noch nicht beantworten.
«Über die Nachfolge auf der Position des Cheftrainers werden wir informieren, sobald diese Personalie abschließend geklärt ist», hieß es in der recht schmalen Pressemitteilung. Spekuliert wird in Berlin schon heftig. Gelingt es Bobic, den Fan-Wunschkandidaten und einst in Frankfurt so erfolgreichen Kompagnon Niko Kovac von einer Rückkehr nach Berlin zu überzeugen? Sind die einst in England erfolgreichen David Wagner oder Daniel Farke eine heiße Spur? Beide wären nach ihrem Job-Aus in der Schweiz und in Russland verfügbar. U23-Trainer Ante Covic war 2019 in der Chefrolle schon gescheitert.
Die Idee, Friedhelm Funkel zu reaktivieren, gehört wohl zur Fantasie der Social-Media-Blasen. 2009/2010 hatte der Retter-Rentner schon einmal einen Berliner Abstieg verantwortet. In den gerne und viel bemühten Negativstatistiken hat Funkel eine ähnlich schlechte Punkteausbeute wie der glücklose Korkut.
Herthas Ersatzspieler absolvierten unter der Leitung von Sturm-Trainer und Club-Legende Vedad Ibisevic ihre Regenerationseinheit, die Torhüter trainierten unter Torwarttrainer Andreas Menger auf dem Platz. Das ganze Hertha-Drama wird dadurch deutlich, dass der Korkut-Nachfolger zumindest bis zum Sommer schon der vierte Trainer auf der Payroll sein wird, auf der auch noch seine Vorgänger Bruno Labbadia und Pal Dardai noch stehen. Beide wären eigentlich gute Kandidaten in der aktuell komplizierten Lage, sind aber im schwierigen Hertha-Kosmos als erprobte Trainer-Retter schon verglüht.
Schwere Trainersuche
Der Eindruck war kaum zu verwischen, dass die Suche auch für Bobic schwierig ist. Möchte sich etwa kein Trainer das Mega-Durcheinander bei der Hertha mit einer leb- und führungslosen Mannschaft noch antun? Die Big-City-Unruhe führte gerade in den letzten Tagen wieder zu einer bemitleidenswerten Außendarstellung, einer Berliner Parade-Disziplin. Investor Windhorst wird sicher ganz genau hinschauen, wer als Coach geholt wird. Kommentare zur neuesten Entwicklung gab es am Sonntag von seiner Seite aber nicht.
Der Tag nach dem 0:2 in Mönchengladbach, der fünften Niederlage in Serie, war für die branchenüblichen Floskeln reserviert. «Es bleiben noch acht Partien, um die nötigen Punkte für den Klassenerhalt zu holen. Mit dieser Entscheidung wollen wir alle Beteiligten nochmal intensiver für die Situation sensibilisieren. Wir setzen auf die positiven Effekte eines Neuanfangs», sagte Bobic.
Fredi Bobics Ruf leidet
Auch sein Ruf als Wunder-Manager steht nun auf dem Spiel, das weiß der 50-Jährige nach seinem zweiten Trainer-Rauswurf in den ersten gut acht Monaten seiner Berliner Amtszeit. An Dardai hatte er im Sommer 2021 nur festgehalten, um Kontinuität zu erzeugen. Der Plan ist schon lange futsch.
Natürlich dankte Bobic auch Korkut, der nur einen traurigen Winter lang bleiben durfte. Der geschasste Trainer, der nur mit einem Vertag bis zum Saisonende ausgestattet wurde und dadurch mit seiner freundlichen Art von Anfang an wenig Strahlkraft in einen schwierigen Kader senden konnte, durfte auch noch ein Statement abgeben. «Leider konnten wir den guten Start unserer Arbeit nicht halten. Ich möchte mich für die vertrauensvolle und stets offene Zusammenarbeit bedanken und wünsche der gesamten Hertha-Familie den Klassenerhalt sowie alles erdenklich Gute für die Zukunft.»