Thomas Brdaric sitzt in der albanischen Hauptstadt Tirana und feiert den Erfolg seiner Mannschaft mit Sushi.
«Nach einem Sieg schmeckt das Essen umso besser», sagt er der Deutschen Presse-Agantur. Am Tag zuvor gewann sein Team KF Vllaznia in der Kategoria Superiore gegen KF Skënderbeu mit 2:0.
Seit 2020 trainiert der 46-Jährige den Erstligisten aus der Stadt Shkodra im Norden Albaniens. Er führte den Traditionsclub in der ersten Saison zum Pokalsieg und auf Platz zwei in der Liga – punktgleich mit KF Teuta, nur dass der neue Meister am Ende ein besseres Torverhältnis hatte und deshalb ganz oben stand. Brdaric war trotzdem zufrieden: «Wenn man eine Mannschaft aus dem Nichts in die europäische Qualifikation bringt, dann macht einen das schon stolz.» In der Conference League schieden die Albaner gegen AEL Limassol aus.
Bekannter lockte Brdaric nach Albanien
Der achtmalige Nationalspieler Brdaric lief als Spieler zwischen 1993 und 2008 in der Fußball-Bundesliga für den VfB Stuttgart, Fortuna Düsseldorf, Bayer Leverkusen, Hannover 96 und den VfL Wolfsburg auf. Mit Leverkusen spielte er 2002 im Finale der Champions League gegen Real Madrid (1:2). Als Trainer arbeitete er schon für Rot-Weiß Erfurt, Tennis Borussia Berlin, TSG Neustrelitz, VfL Wolfsburg II – und den nordmazedonischen Club Shkendija Tetovo. Das war 2017 sein erstes Abenteuer. Jetzt also Albanien.
Ein Bekannter und ehemaliger Spieler von Vllaznia machte ihm den Posten schmackhaft. «Ich hielt das für eine tolle Chance und Herausforderung», sagt Brdaric. Als Paradiesvogel sieht er sich aber nicht, das Wort nervt ihn.
Es gebe viele Unterschiede zwischen dem südosteuropäischen und dem deutschen Fußball, aber dafür habe man in Albanien in einigen Belangen eine bessere Lebensqualität, zum Beispiel die 250 Sonnentage im Jahr. «Wenn man nach Albanien kommt, dann merkt man schnell, wie schön das Land ist.» Die Albaner hätten ihn toll empfangen, schwärmt er. Die wichtigsten Wörter verstehe er mittlerweile. In der Kabine wird Albanisch, Englisch und Serbo-Kroatisch gesprochen.
Brdarics Credo: «Aus wenig viel machen»
Wenn es um die Bedingung des Trainingsplatzes seines Clubs geht, wird Brdaric aber etwas sauer. «Wir haben keinen professionellen Platz. Wir trainieren auf einem Wald-und-Wiesen-Platz», sagt er. Der Kunstrasen werde zurzeit gebaut, doch das Vorhaben ziehe sich in die Länge. «Die Albaner sind weit hinterher, was die Ausstattung der Trainingsplätze angeht», sagt er. Das Vllaznia-Stadion, das laut Brdaric ganz «ordentlich» und international vorzeigbar sei, ist in Albanien nicht der Standard. «Teilweise spielst du auf Dorfplätzen.» Aus wenig viel machen – so lautet hier sein Credo.
Seine Spieler seien an die Verhältnisse gewöhnt, Neuzugängen aus dem Ausland fielen beim Anblick des Platzes aber manchmal die Augen aus dem Kopf. «Man muss aufpassen, dass ausländische Spieler die Platzbedingungen nicht als Ausrede nehmen, wenn sie schlecht spielen.» Und auch sonst fehlen die technischen Voraussetzungen, um Laufleistungen im Spiel oder den Gegner zu analysieren. «Wir haben bei null angefangen. Das waren keine besonderen Bedingungen, aber trotzdem haben wir von Beginn an Vollgas gegeben. Schritt für Schritt haben wir eine wettbewerbsfähige Mannschaft aufgebaut», sagt er.
Sein ehemaliger 96-Kollege und gebürtige Albaner Altin Lala kennt das Problem der sportlichen Infrastruktur in seinem Heimatland. «Er hat sich gut an die dortigen Begebenheiten angepasst. Und das ist gar nicht so einfach», sagt der 46-Jährige. Das Niveau der ersten albanischen Liga sei mit dem der deutschen Regionalliga vergleichbar.
Brdarics offensive Philosophie wird wertgeschätzt
Wenn man Lala nach der Bedeutung von Brdaric im Land und für den Traditionsverein aus Skhodra fragt, dann schwärmt er etwas: «Er hat in Albanien wirklich etwas bewegt. Seine offensive Spielweise wird im Land mittlerweile wirklich wertgeschätzt.» Und die bisherigen Erfolge habe er mit einem laut Lala «durchschnittlichen Kader» erreicht.
Und in diesem Kader werden oft nur minimale Gehälter bezahlt. Brdaric lädt die Spieler, die teilweise noch bei ihren Eltern lebten, manchmal zu sich ein, wenn das Geld nicht rechtzeitig auf dem Konto eingetroffen ist. «Die Gehälter kommen häufiger mal nicht. Deshalb muss man die Spieler auch mal zum Essen einladen.»
Zurzeit steht seine Mannschaft im Pokal-Viertelfinale und ist als Tabellenvierter in Reichweite des ersten Tabellenplatzes. In dieser Saison will sich der 46-Jährige den Meistertitel schnappen.
Brdaric kennt auch die Vorurteile über deutsche Trainer im Ausland. «Ich denke schon, dass es gewisse Meinungen über mich gibt, die man als Profi akzeptieren muss», sagt er. «Ich will aber auch nicht in die Mitleidsschiene hinein. Menschen, die ein Ziel vor Augen haben, lassen sich ja nicht aufhalten, sondern gehen dann andere Wege.» Er fühle sich in Albanien sehr wohl.
Aber was ist sein Ziel? «Natürlich», antwortet er auf die Frage, ob er gern mal in der Bundesliga oder 2. Bundesliga arbeiten würde. Den deutschen Fußball verfolge er regelmäßig, in vielen Kneipen werden die Spiele gezeigt. Aber auch die zweite englische Liga reize ihn. Einen Plan B habe er aber nicht: «Ich bin leidenschaftlicher Trainer, das ist meine Berufung und macht mir am meisten Spaß.»