Adi Hütter klatschte tapfer seine Spieler ab, ehe er nach der wohl schlimmsten Woche seiner Trainerkarriere Kopf schüttelnd und mit versteinerter Miene im Stadiongang verschwand.
Acht Tage nach dem 1:4-Derby-Debakel beim 1. FC Köln präsentierte sich sein Team Borussia Mönchengladbach beim historischen 0:6 (0:6) gegen den SC Freiburg eine Halbzeit lang kopf- und emotionslos. «In erster Linie gilt es sich zu entschuldigen für unseren Auftritt heute, der auch nicht zu akzeptieren ist», sagte Hütter.
Konsequenzen hat die üble Woche mit zehn Gegentoren vorerst nicht. «Das ist ja geradezu absurd», sagte Sportdirektor Max Eberl, der den Österreicher im Sommer für 7,5 Millionen Euro von Eintracht Frankfurt als Nachfolger des zu Borussia Dortmund gewechselten Marco Rose geholt hatte. «Es kann doch nicht sein, dass wir nach zwei Spielen solche Fragen beantworten müssen», meinte Eberl weiter.
Mit Profi-Fußball hatte der schlimme Gladbacher Auftritt allerdings wenig zu tun und erinnerte teilweise an das 2:8 im Oktober 1998 gegen Bayer Leverkusen. Vor 23 Jahren hatte es zur Pause aber nur 0:4 gestanden. Sechs Gegentore wie die von Maximilian Eggestein (2. Minute), Kevin Schade (5.), Philipp Lienhardt (13.), Nicolas Höfler (19.), Lucas Höler (25.) und Nico Schlotterbeck (37.) bei der ersten Heim-Niederlage in dieser Saison hatte die Borussia daheim in der ersten Halbzeit in der Bundesliga noch nie kassiert. Am 29. April 1978 hatte es schon einmal 0:6 zur Pause aus Gladbacher Sicht gestanden – seinerzeit auswärts bei Borussia Dortmund.
«Das wird eine schlaflose Nacht»
«Wer letzte Woche gedacht hatte, es geht nicht tiefer, ist heute eines besseren belehrt worden», sagte Nationalspieler Jonas Hofmannn beim Streaming-Dienst DAZN und kritisierte, dass man «desolat verteidigt» habe. «Nach dem 0:2 stellst du dir die Frage, ob alle noch in der Kabine sind.» Sein Teamkollege Patrick Herrmann fand deftige Worte: «Wir haben absolute Scheiße und Katastrophe gespielt. Das wird eine schlaflose Nacht.» Hütter hatte «das Gefühl, dass wir paralysiert waren».
Aufseiten der Freiburger herrschte hingegen eitel Sonnenschein. «Ich weiß, dass wir eine brutale Leistung gebracht haben. Es war einfach surreal», sagte Nico Schlotterbeck. Philipp Lienhardt befand, dass es «ein sehr schönes Gefühl» ist. Nüchterner reagierte Trainer Christian Streich: «Das war fast ein bisschen skurril. Fast jede Aktion in der ersten Halbzeit führt zu Toren, das ist unerklärlich.»
Angesichts des desolaten Auftritts konnten die Borussen froh sein, dass pandemiebedingt nur 10.025 Zuschauer bei der denkwürdigen Klatsche dabei waren. Viele Zuschauer waren zur Pause ohnehin nicht mehr da. Etliche hatten den Borussia-Park beim peinlichen Scheibenschießen der Freiburger, die zuletzt 1995 in Gladbach gewonnen hatten, bereits verlassen.
Freiburg lässt in Halbzeit zwei locker
Nicht nur sie dürften sich gefragt haben, was in der Zeit seit dem furiosen 5:0 im Pokal gegen den FC Bayern Ende Oktober in Hütters Team passiert sein mag, dass es erst im Derby kaum Gegenwehr zeigte und diese Leistung im negativen Sinne nun gar noch einmal toppte.
Immerhin wurde das Ergebnis nach der Pause nicht noch übler. Freiburg spielte allerdings auch lange nicht mehr so zielstrebig und effektiv wie vor dem Wechsel. Die Miene von Streichs Kollegen Hütter hatte sich im ersten Durchgang fast minütlich verfinstert.
Schon nach fünf Minuten stand es 0:2, weil die Borussen defensiv nahezu jeden Einsatz verweigerten und bei den Standards schliefen. Zwei Gegentore in den ersten 300 Sekunden, das hatte es zuletzt vor 56 Jahren in der Bundesliga gegeben, damals gegen den Hamburger SV.
Fünf Gegentore in der ersten Halbzeit hatten die Borussen 1979 schon einmal gegen den FC Bayern kassiert. Vor über 40 Jahren fiel das fünfte Gegentor aber erst in der 45. Minute und nicht schon in der 25. Auch Nationalspieler Schlotterbeck durfte noch vor der Pause zum sechsten Tor einnicken. Auch für die Breisgauer war das Spiel ohne defensive Gegenwehr ein Novum. Sechs Treffer in einem Bundesliga-Spiel hatte es auch für sie noch nie gegeben.