Uli Hoeneß stand schon oben am Rednerpult – und resignierte vor den Tumulten in der Halle. «Wir sind Bayern – und ihr nicht», riefen wutentbrannte Mitglieder – und auch: «Wir sind die Fans, die ihr nicht wollt.»
Der Ehrenpräsident, der die denkwürdige Jahreshauptversammlung seines FC Bayern München über Stunden wenige Sitzplätze neben dem ebenfalls bis zum schlimmen Ende ausharrenden Trainer Julian Nagelsmann schweigend unter seiner FFP-Maske verfolgt hatte, verließ das Podium dann doch wortlos.
Hoeneß reagiert verstört
Uli Hoeneß sprachlos – wann hat es das beim Fußball-Rekordmeister jemals gegeben? Beim Abgang sagte der 69-Jährige verstört und beschämt: «Das war die schlimmste Veranstaltung, die ich je beim FC Bayern erlebt habe.»
Das programmierte Reizthema Katar löste beim Mitgliederkonvent unter besonderen Corona-Bedingungen einen Aufruhr der Fan-Opposition mit Pfiffen und Buhrufen gegen die Bosse aus – mit Präsident Herbert Hainer als zentraler Zielscheibe. Der frühere Adidas-Chef, der aus der Welt der Aktionärsversammlungen kommt, verkannte kurz nach Mitternacht die Situation endgültig, als er sich nach «einem langen Tag» das Recht als «Versammlungsleiter» herausnahm, «dass ich die Wortmeldungsliste schließen kann» – und damit die Veranstaltung.
Lautstarke «Hainer raus, Hainer raus»-Rufe hallten durch den Audi Dome. «Sag einmal, was ist denn los», brummelte Hainer perplex ins Mikro. Es war ein Desaster für den Verein, besonders für den Hoeneß-Nachfolger. Der Vereinsführung war der Abend entglitten.
Katar als Streithema
Ein Spontanantrag des Mitglieds Michael Ott zur Abstimmung über die Beendigung der umstrittenen Partnerschaft mit der Fluglinie Qatar Airways spätestens 2023 schmetterte die Vereinsführung mit Verweis auf zuvor getroffene Entscheidung des Landgerichtes München I ab. «Sie können gerne buhen. Ich werde hier nicht zulassen, dass wir über rechtswidrige Anträge abstimmen», sagte Vizepräsident Dieter Mayer.
Bayern-Fan Ott sprach später von einem «Offenbarungseid». Er beklagte im ARD-Hörfunk ein «sehr eigenartiges Demokratieverständnis, wenn man so eine Debatte niederringt und vor kritischen Beiträgen flieht».
Der Abend war eine Niederlage für die Bosse um den erstmals als Vorstandschef auftretenden Oliver Kahn, der Poltern vermied und versprach: «Wir haben klare Kriterien, an denen wir Partnerschaften ausrichten. Es gibt Compliance-Anforderungen, die schauen wir uns genau an. So werden wir das auch mit Qatar Airways machen.»
Nach Hainers Redestopp stellte sich ein Mitglied einfach auf einen Stuhl und sprach halt ohne Mikrofon. Es waren bizarre Szenen, die sich abspielten. Erst lief es wie gewohnt, auch wenn Corona den Rekordmeister gerade sportlich und seit Frühjahr 2020 finanziell ausdauernd belastet. Der Umsatz schrumpfte auf 643,9 Millionen Euro, aber es gab (noch) keine roten Zahlen.
Spätestens beim Tagesordnungspunkt Anträge kochte die Stimmung hoch, eskalierte die Konfrontation in der Halle. Auch Otts zweiter Antrag, dass der Verein weiter 75 Prozent der Anteile an der FC Bayern AG halten soll und nicht noch fünf Prozent veräußern könnte, verfehlte die erforderliche Dreiviertelmehrheit. Die Proteste nahmen zu.
Wegen Corona nur 800 Mitglieder anwesend
Wegen der 2G-plus-Einlassregeln (geimpft oder genesen und getestet) waren nicht mal 800 Mitglieder anwesend, darunter viele Gegner des Katar-Sponsoring. Und nicht das normale Vereinsvolk, das Hoeneß und Kahn-Vorgänger Karl-Heinz Rummenigge über viele Jahre stets gefolgt war. Das Plenum repräsentierte nicht die mehr als 290.000 Mitglieder.
«Wir als Verein stellen uns jedem Diskurs», sagte Hainer zwar. Aber in der Causa Katar und Menschenrechte vermissten viele Mitglieder genau das. Die Geschäftsbeziehung mit dem Emirat und Gastgeberland der Fußball-WM 2022 spaltet. «Wir haben bei weitem nicht entschieden, dass wir mit Katar weitermachen. Noch hat Katar entschieden, mit uns weiterzumachen», sagte Hainer und verkündete: «Natürlich werden wir den Vertrag, den der FC Bayern eingegangen ist, erfüllen.» Corona, Katar, Image – die Welt des FC Bayern scheint gerade aus den Fugen.