Den entspannten Regenerationstag mit Spaßtraining am E-Auto-Lenkrad konnten die Fußball-Nationalspieler genießen.
Zufrieden nach der Torgala gegen das überforderte Liechtenstein und schon fokussiert auf den Kurztrip nach Armenien verabschiedete sich Hansi Flick spät aus der Wolfsburger VW-Arena. Nach bewegter Woche mit Corona-Schreck, Impfdebatte und der Verabschiedung von Joachim Löw gehe es «mit absoluter Vorfreude» zum letzten Länderspiel des Jahres an diesem Sonntag (18.00 Uhr/RTL) nach Eriwan, sagte der Bundestrainer, dessen Kader aber immer weiter schrumpft.
Kapitän Manuel Neuer, Julian Draxler, Leon Goretzka, Marco Reus und der ohnehin gesperrte Antonio Rüdiger werden am Samstag nicht mit in den Flieger nach Armenien steigen, teilte der DFB mit. Goretzka erlitt bei dem bösen, aber unbeabsichtigten Foul von Jens Hofer in der Anfangsphase eine «Prellung im Kopf-Hals-Bereich». Draxler fehlte ohnehin schon, Neuer und Reus sollen sich erholen. Dass er nur noch 19 Spieler zur Verfügung hat, wird Flick nicht von seinem Ziel abbringen.
Startrekordsieg
«Wir haben gesagt, dass Liechtenstein ein Spiel ist auf unserem Weg. Wir wollen uns jedes Spiel weiterentwickeln», sagte der 56-Jährige nach seinem Startrekordsieg beim 9:0 (4:0), das die Fans begeistert hatte. «Dafür wollen wir jedes Spiel nutzen, auch mit einer Mannschaft, in der viele die Chance hatten, auf sich aufmerksam zu machen. Wir haben gesehen, dass der Wille da ist, die Bereitschaft da ist, die Dinge umzusetzen.»
Nach dem Wirbel um den positiven Corona-Test von Bayern-Profi Niklas Süle bei der Ankunft in Wolfsburg am Montag habe das Trainerteam schnellstmöglich den Fokus auf das Sportliche gelenkt, berichtete Flick. Ohne Süle und die als Kontaktpersonen in Quarantäne geschickten Joshua Kimmich, Serge Gnabry, Jamal Musiala und Karim Adeyemi. Florian Wirtz, Nico Schlotterbeck sagten zu Wochenbeginn angeschlagen ab, Kai Havertz war am Donnerstag gelbgesperrt. Flick machte das Beste daraus.
Mehr als neun Tore hatte eine DFB-Auswahl zuletzt vor 15 Jahren beim 13:0 gegen San Marino geschossen. Die auf mehreren Positionen veränderte Flick-Elf ließ nie nach und hatte kein Mitleid mit den nach dem Hofer-Platzverweis früh dezimierten Liechtensteinern. «Man muss auch sagen, dass die Mannschaft auch versucht hat, sich immer wieder Chancen herauszuspielen. Wir hätten das eine oder andere Tor mehr machen müssen. Letztendlich sind wir aber sehr zufrieden», sagte Flick.
«Grandiose Stimmung»
Die 25.984 Zuschauer feierten die Treffer von Leroy Sané und Thomas Müller, die jeweils doppelt trafen, sowie von Ilkay Gündogan, Marco Reus und Ridle Baku bei dessen Heimspiel ausgelassen. Die Liechtensteiner Daniel Kaufmann und Maximilian Göppel trafen ins eigene Tor.
«Das war wirklich gelungen. Das Zusammenspiel zwischen Mannschaft und Fans war toll, eine grandiose Stimmung», sagte Flick. Am Freitagnachmittag war für die Nationalspieler ein «elektrisches Fahrsicherheitstraining» beim gastgebenden DFB-Partner VW geplant, inklusive «Bremswettbewerb gegeneinander». Wie lang die Nacht nach dem Spiel gewesen war, gab der Deutsche Fußball-Bund nicht bekannt. Flick hatte geäußert, sich auf ein Glas Rotwein mit Löw zu freuen.
Der Ex-Bundestrainer, der in der TV-Übertragung mehrfach eingeblendet wurde, freute sich über den kurzweiligen Abend. Einige seiner Rio-Weltmeister standen vor dem Anpfiff zur Verabschiedung Spalier, vom DFB-Interimspräsidenten Peter Peters gab es eine Urkunde mit der Aufschrift «Jahrhunderttrainer».
Löw verabschiedet
Damit endete die Ära von Löw gut vier Monate nach dessen letztem Spiel als Bundestrainer beim EM-Aus in England ganz offiziell. Die Zukunft gehört Flick, der mit seiner Mannschaft wohl erst bei den geplanten Testspielen im März beweisen kann, wo das Nationalteam auf dem von allen Beteiligten im Verband angestrebten Weg «zurück in die Weltspitze» steht. Liechtenstein ist dafür genauso wenig ein Gradmesser wie Armenien.
«Man muss natürlich immer ein bisschen relativieren, dass wir jetzt natürlich keine extrem schwierigen Gegner in unserer Gruppe haben», sagte Anführer Thomas Müller im RTL-Interview. Der 32-Jährige, der von Löw aussortiert und erst für die EM zurückgeholt worden war, lebt die von Flick geforderte Gier nach immer mehr Chancen und Toren mustergültig vor. Über seinen zweiten Treffer, das 8:0, freute sich der Weltmeister von 2014 mit hochgerissenen Armen.
Die Mannschaft wirkt mitgerissen, und wie Flick betonte auch die Profis, die stark um ihren Platz im Kader kämpfen müssen. In Armenien am Sonntag halten sich die Optionen aber in Grenzen. Neuer könnte von Marc-André ter Stegen ersetzt werden, der in Wolfsburg nicht im Kader stand. Bei Goretzka hatte sich Flick zunächst noch optimistischer gezeigt und betont: «Leon ist ein Spieler, den wir brauchen, gerade in der aktuellen Situation.» Gut zwölf Stunden später kam die Mitteilung über den Verzicht auf das Quintett.