Auf das Foto mit den einstigen Kollegen drängte sich Benedikt Höwedes nicht. Beim Kreisspiel zum Aufwärmen war der Rio-Weltmeister und Manager-Azubi von DFB-Direktor Oliver Bierhoff beim Abschlusstraining des Nationalteams für das Länderspiel gegen Armenien aber munter mit dabei.
Mit athletischer Figur und sauberem Passspiel fiel gar nicht auf, dass der Ex-Schalker mit 33 Jahren keine Option mehr für Hansi Flick im WM-Qualifikationsspiel am Sonntagabend in Stuttgart war, auch nicht als höchst effektive Linksverteidiger-Notlösung wie beim WM-Triumph 2014 für Joachim Löw.
Höwedes ist gut vier Jahre nach seinem letzten von 44 Länderspielen bei seiner DFB-Rückkehr für zunächst 17 Lehrlingsmonate Bierhoff unterstellt. Der stand zwar auf dem Gruppenbild ganz rechts in einer Reihe mit Flick. Der 53 Jahre alte Ex-Nationalspieler Bierhoff übernimmt aber im Gegensatz zu früheren Tagen nur noch selten abseits der vielen Schreibtisch-Aufgaben den Sparringspart im DFB-Training.
Weitere Weltmeister im Blick
Geht es nach Bierhoff, werden nach Höwedes bald weitere Ex-Champions der goldenen Rio-Generation wieder ganz nah an die Nationalmannschaft heranrücken und alles über seinen Managementbereich lernen. «Es geht über Benni hinaus. Ich versuche, in Kontakt zu bleiben mit den Spielern», sagte Bierhoff während der laufenden Länderspielwoche. Namentlich nannte er Sami Khedira (34) und Per Mertesacker (36) als Kandidaten. Beide haben ihre Profikarriere beendet.
Khedira genießt nach dem letzten Halbjahres-Engagement bei Hertha BSC eine schöpferische Auszeit. Er trägt auf seinem Profilfoto auf den sozialen Kanälen aber schon Anzug mit Krawatte. «Ich werde definitiv zurückkommen, denn der Fußball ist mein Leben. In welcher Rolle, wird man sehen», hatte Khedira nach seinem tränenreichen Berliner Abschied im vergangenen Mai gesagt.
Mertesacker hörte gleich nach dem WM-Gewinn 2014 in Brasilien als Nationalspieler auf. Er wurde von Bierhoff nach dem Debakel in Russland vier Jahre später wie Ex-Bundestrainer Berti Vogts in einen sogenannten Expertenbeirat geholt. Zudem führte Mertesacker die Jugendakademie des FC Arsenal und arbeitet als Experte beim ZDF.
Expertise dieser Art will Bierhoff für sich nutzen. «Grundsätzlich war es immer der Gedanke, dass wir ehemalige Nationalspieler oder Bundesligaspieler einbauen. Das versuchen wir in vielen Bereichen. Wir haben das verstärkt im Trainerbereich gemacht, weil da ein größeres Interesse ist. Aber das gilt auch im Managementbereich», erläuterte Bierhoff seine Gedanken und Pläne.
Im sportlichen Sektor war zuletzt Rekordschütze Miroslav Klose als Spezialtrainer für die Offensive ins Training unter Löw eingebunden. Als Cheforganisator der Heim-EM 2024 ist Rio-Kapitän Philipp Lahm längst im höchsten DFB-Führungszirkel angekommen. Sogar als Präsident des Krisenverbandes kommt der 37-Jährige (noch) gegen seinen Willen immer wieder ins Gespräch.
«Comeback auf anderer Ebene» für Höwedes
Höwedes ist nach seinen letzten Profistationen bei Juventus Turin und Lok Moskau beim laufenden Länderspiel-Dreierpack erstmals wieder im Kreise der Nationalmannschaft dabei. Zunächst bis zur WM 2022 in Katar. Parallel läuft noch ein Management-Seminar bei der UEFA.
Danach kann er laut Bierhoff entscheiden, ob ihm die Laufbahn im administrativen Bereich gefällt. «Es ist ein Comeback auf einer anderen Ebene. Es fühlt sich großartig an, wieder dabei zu sein. Beim DFB habe ich meine größten sportlichen Erfolge gefeiert», hatte Höwedes bei der Präsentation von Flick im August gesagt.
Bei seiner ersten Lehrlingswoche hält sich der ehemalige Schalker mit öffentlichen Aussagen zurück. Unter dem Schutz eines großen weißen Regenschirms stand der einstige Manndecker schon beim ersten Flick-Training im strömenden Regen am Übungsplatz. Vor dem Liechtenstein-Spiel plauderte er vorm Anpfiff auf dem Rasen lange mit dem Leipziger Lukas Klostermann. Danach verfolgte er das Spiel im Pulk der Ersatzspieler und Betreuer auf der Tribüne.
Bierhoff sieht Höwedes als «Bindeglied zwischen Management und Mannschaft», eine Rolle, die er nach seinem Aufstieg zum DFB-Direktor schon länger nicht mehr in gleicher Intensität ausüben kann.