Serbiens Last-Minute-Held Luka Jovic stand mit seinen Teamkollegen inmitten von Dutzenden auf das Feld geworfener Getränkebecher vor dem Fanblock und holte sich einen Extra-Beifall ab. Sloweniens Spieler versammelten sich dagegen nach ihrem in letzter Sekunde verpassten EM-Premierensieg enttäuscht am Mittelkreis und schworen sich auf die nächste Aufgabe ein.
Durch den späten Treffer zum 1:1 (0:0) sorgte der Ex-Frankfurter Jovic in der turbulenten Schlussphase einer intensiven Partie für den Stimmungsdämpfer bei den slowenischen Fans, die schon lautstark den ersten Sieg ihrer Nationalelf bei einer Fußball-Europameisterschaft gefeiert hatten. «Das hat uns das Herz gebrochen», sagte Sloweniens Mittelfeldspieler Timi Elsnik.
Abwehrspieler Zan Karnicnik hatte in der 69. Minute zur Führung getroffen – doch dann kam der Last-Minute-Schock durch Jovic. Der Treffer des 26 Jahre alten Offensivspielers vom AC Mailand in der fünften Minute der Nachspielzeit lässt nun auch die Serben bei der Fußball-EM weiter auf das Achtelfinale hoffen. «Wir glauben an uns bis zum Ende und werden nicht aufgeben», sagte Trainer Dragan Stojkovic und lobte die Moral seiner Schützlinge: «Für viele war das Spiel schon fertig, für uns nicht. Dafür wurden wir belohnt.»
Mit zwei Punkten auf dem Konto haben die Slowenen aktuell die bessere Ausgangslage auf Rang drei, der auch ins Achtelfinale führen könnte. Allerdings trifft die Mannschaft um den Leipziger Benjamin Sesko am letzten Spieltag auf Titelkandidat England. «Leider ist das Ergebnis nicht nach unseren Vorstellungen. Wir hätten mehr erreichen können. Jetzt müssen wir gegen England weitermachen. Das wird ein schweres Spiel, aber wir können jeden schlagen», sagte Torschütze Karnicnik. Serbien (1 Punkt) bekommt es zum Vorrundenabschluss mit Dänemark zu tun.
Tadic in Serbiens Startelf
Nach der 0:1-Auftaktniederlage gegen England standen die Serben bereits unter Druck, im Kampf um die Playoff-Plätze der Gruppe C nicht vorentscheidend ins Hintertreffen zu geraten. Dies schien die Auswahl von Coach Dragan Stojkovic noch mehr zu hemmen – in der ersten Halbzeit traten die Serben weitgehend konfus auf. Kapitän Dusan Tadic, der nach seinem überraschenden Joker-Einsatz beim 0:1 gegen die Engländer wieder in die Startelf rutschte, ermahnte seine Mitspieler immer wieder mit ausgebreiteten Armen, ruhiger zu spielen.
Sesko muss weiter warten
Es dauerte aber bis kurz vor der Halbzeitpause, ehe Serbien zur ersten großen Chance kam: Stürmer Aleksandar Mitrovic bekam im Strafraum den Ball, behauptete diesen gekonnt, brachte dann aber keinen Druck hinter den Schuss aus kurzer Distanz. Sloweniens Torwart Jan Oblak parierte. Dessen Vorderleute hatten kurz zuvor die beste Chance des ersten Durchgangs. Timi Elsnik traf mit einem wuchtigen Schuss aber nur den Pfosten. Den Nachschuss setzte Leipzig-Angreifer Sesko über den Kasten. Er will nun gegen England seinen ersten EM-Treffer zielen.
In einem Match auf zunächst mäßigem Niveau hätten sich träge Serben über den Rückstand nicht beschweren können. Nach dem Seitenwechsel änderte sich das Bild. Sofort nach Wiederanpfiff war Tempo im Spiel, und das dank der Serben. Mitrovic scheiterte erneut an Oblak (47.), kurz danach hätte Sloweniens Jaka Bijol fast ein Eigentor erzielt. Auf der Gegenseite prüfte Sesko Torhüter Predrag Rajkovic mit einem Schlenzer von außerhalb des Strafraums – der Keeper lenkte den Ball am Aluminium vorbei. Nach einer Flanke war er beim Gegentor durch Karnicnik dann machtlos.
Verband beschwert sich
Vor dem Spiel hatte der serbische Verband am Donnerstag für Aufsehen gesorgt. Nach angeblich feindseligen Gesängen kroatischer und albanischer Fans legten die Serben Beschwerde bei der UEFA ein und kokettierten sogar mit dem Rückzug vom Turnier. «Wir verlangen von der UEFA Sanktionen, letztlich auch um den Preis, dass wir die Europameisterschaft nicht fortsetzen», sagte Verbands-Generalsekretär Jovan Surbatovic im öffentlich-rechtlichen Rundfunk RTS in Serbien.
Er bezog sich damit auf Gesänge aus beiden Fan-Lagern in der zweiten Halbzeit beim 2:2 zwischen Kroatien und Albanien am Mittwochabend in Hamburg. Der Top-Funktionär beklagte, dass sein Verband bereits «für einzelne Fälle» bestraft worden sei und fordert nun auch Konsequenzen für die Kroaten und Albaner. «Wenn die UEFA sie nicht bestraft, werden wir uns überlegen, wie wir weiter vorgehen werden», unterstrich Surbatovic und behauptete, serbische Fans seien «Gentlemen».
Das hielt einige Anhänger freilich nicht davon ab, wie schon im Match gegen England erneut vereinzelt auf den Rängen Flaggen anzubringen, auf denen die Umrisse des Kosovo zu sehen waren, ausgefüllt in den Farben des serbischen Wappens. «Es gibt kein Aufgeben», stand darüber – bei serbischen Nationalisten folgt darauf meist der Satz: «Kosovo ist Serbien.»