Tore, Sieg, Stimmung – und ganz viel EM-Lust: Der Wunschzettel von Julian Nagelsmann für die EM-Generalprobe mit seiner Turnier-Elf um die gerade rechtzeitig eingestiegenen Königsklassen-Könige Toni Kroos und Antonio Rüdiger ist lang.
Exakt eine Woche vor dem großen Eröffnungsspiel gegen Schottland soll an diesem Freitag (20.45 Uhr/RTL) gegen Griechenland aus dem Borussia-Park in Mönchengladbach das Signal kommen, dass Fußball-Deutschland voller Vorfreude und Hoffnungen dem Anpfiff des Heimturniers entgegenfiebern kann. Hat Deutschland wieder eine Turniermannschaft?
«Das letzte Testspiel ist einfach sehr wichtig für unser Selbstvertrauen. Wir wollen eine Aufbruchstimmung, wir wollen unsere Fans mitnehmen», sagte Abwehrchef Rüdiger. Der 31-Jährige will gemeinsam mit Anführer Kroos die Sieger-DNA und «den Killerinstinkt» von Real Madrid auf das Nationalteam übertragen. Das königliche Duo hatte beim ärgerlichen 0:0 gegen die Ukraine noch gefehlt, ebenso wie die Dortmunder Wembley-Verlierer Niclas Füllkrug und Nico Schlotterbeck, die aber nicht zu Nagelsmanns EM-Wunschelf gehören.
Torgaranten gesucht
«Wir werden das Spiel gegen die Griechen so angehen, dass wir gewinnen wollen», kündigte Nagelsmann an. Am Donnerstagvormittag schaute er vor dem kurzen Flug des DFB-Trosses von Nürnberg nach Düsseldorf noch in Herzogenaurach beim Abschlusstraining aufmerksam Kroos und Co. beim Üben zu. In Gladbach will Nagelsmann den EM-Ernstfall proben.
Nach dem Chancenwucher gegen die Ukraine freut er sich sehr, dass Kroos und Rüdiger der Mannschaft einen weiteren Schub geben können. Aber Nagelsmann hob auch explizit den Wert von Füllkrug als klassischer Neuner in der Offensive hervor. Der 31-Jährige kann die beste Torquote im DFB-Kader vorweisen, elf Treffer in 15 Länderspielen. «Ein «Fülle» hätte uns gegen die Ukraine noch gutgetan mit seiner Wucht», sinnierte Nagelsmann.
Auf den Chefcoach kommt am Freitagabend aber auch noch eine unangenehme Aufgabe zu. Direkt nach dem Test wird Nagelsmann verkünden, welchen Spieler er noch streicht aus dem vorläufigen 27-Mann-Kader. Bis Mitternacht muss dem Dachverband UEFA der maximal 26 Akteure umfassenden Turnierkader gemeldet werden. «Es wird jemanden treffen, der es nicht verdient hat», sagte Nagelsmann nach intensiven Diskussionen im Trainerteam.
Wen ereilt das bittere EM-Aus?
Wen trifft’s? Hoffenheims Maximilian Beier, der mit einem couragierten Joker-Einsatz gegen die Ukraine inklusive Lattenschuss toll für sich warb. Der 21 Jahre alte Angreifer war anfangs erster Streichkandidat. Oder reduziert Nagelsmann den Defensivbereich um eine Planstelle, indem er den Frankfurter Robin Koch vorzeitig in den Urlaub schickt?
Ein Chefcoach denkt einen Kader aber nicht von den Hinterbänklern im Team, sondern vom harten Kern der Stammelf plus der größten Herausforderer. Und darum rückt im Borussia-Park Leroy Sané in den Fokus. Nach drei Spielen Sperre nach der Roten Karte im November gegen Österreich und einem Monat ohne Matchpraxis seit dem bitteren Königsklassen-Aus mit dem FC Bayern gegen Real Madrid erwartet Nagelsmann einen Leistungsnachweis.
Sané muss Leistungsnachweis liefern
Sané muss die Antwort liefern, wie viel er trotz seiner Schambein-Problematik der DFB-Elf bei der EM geben kann. «Er wird nicht jedes Spiel über 90 Minuten machen können. Aber Leroy ist ein Spieler, der für den Unterschied sorgen kann», sagte Nagelsmann.
Beim 34-jährigen Kroos stellt sich die Frage danach, was er einbringen kann, spätestens nach den bemerkenswerten Comeback-Auftritten gegen Frankreich (2:0) und Holland (2:1) nicht mehr. Kroos ist das zentrale Teil im Nagelsmann-Puzzle. Maximal acht Spiele kann er bis zum angekündigten Karriereende noch machen – das Finale am 14. Juli in Berlin mitgezählt.
Wirtz über Anführer Kroos: «Wir können froh sein…»
Wie sehr gerade die Jüngeren zum Trophäensammler Kroos aufschauen, ließ Jungstar Florian Wirtz erkennen. «Wir können froh sein, dass er sich entschieden hat, uns bei der EM zu unterstützen und anzuführen», sagte der 21 Jahre alte Leverkusener Double-Gewinner.
Im Blickpunkt steht auch der Kapitän. Ilkay Gündogan ist noch nicht in Turnierform. Die «vielleicht härteste Saison» seiner Karriere beim FC Barcelona hat körperlich Spuren hinterlassen. «Ich habe extrem viele Minuten in den Knochen. Jetzt ist es das Ziel, bis zum Eröffnungsspiel topfit und bereit zu sein, alles in das Turnier zu investieren», sagte er.
Gündogan: Kapitänsamt keine Einsatzgarantie
Das Kapitänsamt begreift er dabei nicht als Garantie, in jeder EM-Partie gesetzt zu sein. «Ich glaube, dass der moderne Fußball sich verändert hat. Er ist nicht mehr so strukturiert, dass man sagt, der Kapitän muss immer spielen», sagte Gündogan. Auch er müsse sich «immer aufs Neue beweisen», sagte der 76-malige Nationalspieler. Gegen die Griechen, die im Playoff-Finale ums EM-Ticket dramatisch im Elfmeterschießen an Georgien scheiterten, will Gündogan aber als Startelf-Spieler dazu beitragen, Nagelsmanns Wunschzettel zu erfüllen.