Personal-Casting und die Suche nach einer Olympia-Formation: Die deutschen Fußballerinnen zeigten auch beim 4:1 gegen Polen in Rostock schwankende Leistungen. Gut 50 Tage vor der ersten Partie bei den Sommerspielen gegen Australien in Marseille wird Horst Hrubesch aber nicht nervös.
«Ich mache nichts abhängig von einem Spiel», sagte der Interims-Bundestrainer. Ihm bleiben noch drei weitere EM-Qualifikationsspiele zur Vorbereitung; bereits am Dienstag (18.00 Uhr/ARD) geht es in Gdynia ins Rückspiel gegen Polen.
Der 73-Jährige muss aus dem 22-köpfigen Kader noch vier Spielerinnen streichen. Lediglich 16 Feldspielerinnen und zwei Torhüterinnen dürfen zu Olympia reisen. «Es wird und werden sicherlich ein, zwei Fälle geben, die hart sind», sagte Hrubesch. «Aber das werden die Mädels auch verstehen.» Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat zwar gemeinsam mit anderen europäischen Nationen beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) einen Vorstoß gemacht, die vier auf Abruf nominierten Spielerinnen nach Frankreich mitnehmen zu dürfen. Die Chance auf einen positiven IOC-Bescheid ist aber gering.
Wie zuletzt beim 2:3 gegen Österreich erwischten die DFB-Frauen gegen Polen eine schwache erste Halbzeit. Doppel-Torschützin und Ersatzkapitänin Giulia Gwinn gab sich durchaus selbstkritisch, die Münchnerin sagte aber auch: «Mit uns ist immer zu rechnen, auch wenn der Start mal echt in die Hose geht.»
Die Teilnahme an der EM 2025 in der Schweiz können sich die DFB-Frauen mit einem weiteren Erfolg am Dienstag sichern. Dann könnten die Vize-Europameisterinnen die letzten beiden Quali-Partien gegen Island (12. Juli) in Reykjavík und gegen Österreich (16. Juli) in Hannover ganz zum Einspielen auf Olympia nutzen. Schon neun Tage nach der Partie gegen das Austria-Team startet die deutsche Auswahl in Marseille gegen Australien in das olympische Turnier. Weitere Gruppengegner sind die USA und Sambia. Hrubesch tüftelt weiter an seiner Stammelf. In jedem Mannschaftsteil gibt es noch Fragezeichen:
Torhüterinnen
Hrubesch hatte sich zuletzt alles offen gehalten: «Wenn morgen eine verletzt ist, dann ist die andere die Nummer 1. Warum soll ich mich da festlegen?» Stammkeeperin Merle Frohms muss sich derzeit aber wenig Sorgen machen: Die Wolfsburgerin überzeugte auch gegen Polen. Die in die USA gewechselte Ann-Katrin Berger (33) hat bei ihren wenigen Einsätzen für Deutschland ihre Klasse gezeigt. Stina Johannes (24) von Eintracht Frankfurt soll sich bei einem der nächsten EM-Quali-Spiele zeigen und ihr DFB-Debüt geben. Eine von den dreien muss Olympia von daheim aus anschauen.
Die Abwehr
Giulia Gwinn vom FC Bayern und Sarai Linder von der TSG 1899 Hoffenheim auf Außen sind gesetzt, ebenso Kathrin Hendrich als Innenverteidigerin. Das große Fragezeichen steht bei Marina Hegering (beide Wolfsburg): Sie musste gegen Polen 29 Minuten nach ihrer Einwechslung vom Platz – wieder die Wade. Die 34-Jährige fällt damit erst mal aus. Hegering plagt sich immer wieder mit Verletzungen herum und kam 2023 in Australien wegen einer Fersenprellung erst beim Vorrunden-Aus gegen Südkorea zum Einsatz. Hrubeschs Entdeckung Bibiane Schulze Solano von Athletic Bilbao wackelte als Hegering-Vertreterin dieses Mal gehörig. Als Alternative steht noch die Frankfurterin Sara Doorsoun bereit.
Mittelfeld und Angriff
Lena Oberdorf und die beim FC Chelsea so erstarkte Sjoeke Nüsken haben ihren Platz sicher. Das gilt auch für die durchsetzungs- und schussstarke Klara Bühl und die schnelle Jule Brand als Flügelstürmerinnen. Gegen Polen setzte Hrubesch auf die Doppelspitze Alexandra Popp/Lea Schüller. Bei nur einer zentralen Angreiferin könnte Nüsken offensiver auf der Zehn agieren. Denn ins Mittelfeld drängt immer mehr Elisa Senß: Die künftige Frankfurterin (bisher Leverkusen) überzeugt mit Geistesblitzen und Übersicht. Die Frankfurterinnen Laura Freigang und Nicole Anyomi, beide Joker gegen Polen, müssen um ihr Olympia-Ticket kämpfen.