Bei Borussia Dortmund ist der Stolz vergangener Tage mit magischen Europapokal-Nächten zurückgekehrt. Der erste Einzug ins Viertelfinale der Champions League seit 2021 verwandelte die Arena in ein Tollhaus und vertrieb zumindest für kurze Zeit den Frust über den bisher durchwachsenen Saisonverlauf in der Bundesliga.
«So laut habe ich das Stadion noch nie erlebt», schwärmte Niclas Füllkrug nach dem 2:0 (1:0) gegen die PSV Eindhoven. Allein der Blick auf den illustren Kreis der möglichen Gegner machte dem Nationalstürmer schon vor der Auslosung am Freitag Lust auf weitere Festtage. «Wenn man sieht, welche Clubs im Viertelfinale stehen, ist es schon geil dazuzugehören.»
Noch minutenlang nach dem Abpfiff genossen die Profis die Ovationen der 81.365 Fans im ausverkauften Signal Iduna Park und drehten tanzend eine Ehrenrunde auf dem Rasen. «Wir freuen uns, endlich mal wieder unter den besten acht Teams in Europa zu sein. Das zeigt, dass dieser Club weiterhin da ist und in Europa präsent ist», kommentierte Sebastian Kehl den Kraftakt gegen die Niederländer. Zur Freude des Sportdirektors hat der Erfolg nicht nur das sportliche Renommee verbessert, sondern auch die Vereinskasse um mindestens 10,6 Millionen Euro aufgefüllt: «Das hilft uns auch in den Planungen.»
Frühes Tor und späte Erlösung
Anders als in der heimischen Liga rief die Mannschaft in der Königsklasse wieder ihr großes Potenzial ab und bot den Fans zumindest in der ersten halben Stunde ein Spektakel. «Jeder wollte den Ball. Und wenn wir das machen, sind wir echt eine geile Mannschaft», befand Emre Can. Wie der Kapitän wertete auch Kehl den Sieg als Mutmacher für die kommenden schweren Wochen in der Meisterschaft mit gleich fünf Spielen gegen Teams aus den Top 6: «Die Mannschaft hat das im Tank. Jetzt müssen wir es auch in der Bundesliga zeigen und liefern. Wir wollen auch im nächsten Jahr auf dieser Bühne präsent sein.»
Das selige Lächeln von Edin Terzic sagte mehr als tausend Worte. Dank des frühen Treffers von Jadon Sancho (3.) und der späten Erlösung durch Marco Reus (90.+5) konnte der zuletzt kritisierte 41-Jährige aufatmen. Als dritter Trainer nach den in Dortmund als Legenden verehrten Ottmar Hitzfeld und Jürgen Klopp führte er den BVB zum zweiten Mal ins Viertelfinale der Königsklasse. Das dürfte ihm in den kommenden Tagen mehr Ruhe verschaffen. «Meine persönliche Freude ist sehr groß, das hat aber nichts mit Genugtuung zu tun», antwortete Terzic auf die Frage nach seinem Gemütszustand.
Aus seiner Erleichterung machte er jedoch keinen Hehl: «Es war keine einfache Zeit in den vergangenen Wochen. Aber wir konnten zeigen, zu was wir in der Lage sind. Die ersten 30 Minuten waren die besten in dieser Saison.» Terzic ist zuversichtlich, dass der Sieg Signalwirkung für den kniffligen Bundesliga-Endspurt hat: «Es ist nicht selbstverständlich für die Historie des Vereins, ins Viertelfinale der Champions League einzuziehen. Wir werden daran arbeiten, aus diesen guten 30 Minuten 90 gute Minuten zu machen.»
Aus Manchester verbannt, in Dortmund verehrt
Matchwinner Sancho könnte dazu beitragen, dass der BVB auch in der kommenden Saison auf der großen Bühne auftreten darf. Der bis zum Saisonende ausgeliehene Rückkehrer scheint auf dem besten Weg zu alter Form. «Jadon hat heute seine beste Leistung gezeigt, seit er wieder hier ist», lobte Terzic. Wie schon vier Tage zuvor in Bremen (2:1) schlüpfte der Engländer als Torschütze in die Rolle des Hauptdarstellers.
Das Risiko, den formschwachen und bei Manchester United in Ungnade gefallenen Angreifer in der Winterpause zu verpflichten, zahlt sich für den Bundesliga-Vierten immer mehr aus. Nach anfänglichen Problemen entwickelt sich der im Sommer 2021 für 85 Millionen Euro verkaufte Dribbelkünstler zu einem Aktivposten im häufig tristen Offensivspiel. «Jetzt hat er sich mit zwei Toren selbst belohnt. Das hilft ihm», sagte Kehl. «Je mehr er spielt, desto besser wird er. Jadon war heute unglaublich agil und sehr spritzig. Er bereichert unser Spiel.»
Getrübt wurde die Freude über Sanchos ansteigende Form durch seine Blessur, die ihn in der 75. Minute zur Auswechslung zwang. Obwohl der 23-Jährige humpelnd den Platz verließ, zeigte sich Terzic zuversichtlich: «Er hat ein bisschen was im hinteren Oberschenkel verspürt. Mal sehen, wie sich das entwickelt. Wir hoffen, dass er gesund und in der Spur bleibt.»