Freunde werden Fabian Hürzeler und Tim Walter in diesem Leben wohl nicht mehr. Daraus machen der Trainer des FC St. Pauli und dessen Kollege vom Hamburger SV vor dem Stadtderby in der 2. Fußball-Bundesliga keinen Hehl.
Er habe nicht nur Respekt vor Walter aufgrund seiner Persönlichkeit, «sondern auch aufgrund seiner Arbeit», sagte der 30-jährige Hürzeler vor dem Ligaspiel am Freitag (18.30 Uhr/Sky). Zugleich betonte er: «Es ist natürlich keine Freundschaft. Daraus muss ich kein Geheimnis machen.»
Der 18 Jahre ältere Walter meinte dazu: «Das kann ich bestätigen.» Ereignisse wie in der Regionalliga Bayern vor sechs Jahren, als Hürzeler als Spielertrainer des FC Pipinsried mit Walter als Trainer des FC Bayern München II aneinandergerieten, oder das Aufeinandertreffen der beiden Alpha-Tiere im letzten Stadtderby im April im Volksparkstadion (4:3 für den HSV) förderten ein inniges Verhältnis der beiden nicht.
Walter sprach vor der 110. Auflage der «Königsklasse der Derbys» aber ebenfalls vom Respekt vor der Arbeit des Stadtrivalen und vor allem von Hürzeler. «Ich finde, dass er das in seinem Alter entsprechend gut macht», sagte er.
Mit Hürzeler ging es für den FC St. Pauli nur bergauf
Wobei letztere Aussage eine Untertreibung ist: Seit Walters junger Kollege vor knapp einem Jahr vom Assistenz- zum Cheftrainer befördert wurde, ging es mit der Mannschaft des FC St. Pauli nur bergauf – bis an die Tabellenspitze. In 31 Ligaspielen holte der Nachfolger von Club-Ikone Timo Schultz 21 Siege und kassierte nur zwei Niederlagen. Die letzte im April im wilden 109. Stadtderby.
Der FC St. Pauli pendelte viele Jahre zwischen oberem Tabellendrittel und Abstiegszone. Jetzt wird die Mannschaft von Experten als beste in der 2. Bundesliga gelobt. In elf Monaten hat Hürzeler ein stabiles Gebilde gebaut. Ausschläge nach unten wie beim HSV gab es nicht.
«Der FC St. Pauli hat unter Hürzeler eine super Entwicklung genommen», meinte Willi Reimann, der einst den Kiezclub und den HSV trainierte. «Das ist kein Lauf, sondern das hat einen Plan, ein Fundament. Für so einen jungen Trainer ist das außergewöhnlich, das muss man einfach so sagen.»
Hürzeler hat die Mannschaft auf ein anderes Level gehoben. Mittelfeld-Dauerläufer Marcel Hartel oder Stürmer Johannes Eggestein stehen beispielhaft dafür. «Man kann gar nicht sagen, dass wir eine erste und zweite Reihe haben. Wir sind mittlerweile auf einem Niveau. Da kann jeder spielen», meinte Eggestein vor einigen Wochen. Es herrsche «ein positiver Konkurrenzkampf».
Ein Arbeiterverein zelebriert Fußball-Kunst
Hürzeler hat dem Arbeiterverein Fußball-Kunst beigebracht und behält dennoch als einer der wenigen einen kritisch-nüchternen Blick. «Mir sind Werte wie Demut und Bescheidenheit sehr, sehr wichtig», sagt der Sohn eines Schweizer Zahnarztes und einer Deutschen.
Er habe in seinem ersten Jahr als Cheftrainer «sehr viel gelernt, und das in allen unterschiedlichen Bereichen». So habe er gelernt, dass er nicht alle Spieler gleich behandeln könne, «sondern sie als individuelle Menschen betrachten muss». Es sei wichtig, «dass du zuhörst». Er müsse als Vorbild vorangehen, um die Leute hinter sich zu bringen und ihnen eine Wertschätzung zu geben.
Walter hat mit dem HSV das große Ziel bisher nicht erreicht
In einem Punkt ist sein Kollege Walter ihm aber voraus: Eine Krise hat Hürzeler bislang nicht erlebt. Walter musste in den zweieinhalb Jahren als HSV-Trainer schon einige Mal Tiefs moderieren. Für ihn spricht: Er schaffte jedes Mal den Weg daraus. Die Rückkehr in die Bundesliga gelang ihm bis jetzt nicht – obwohl der Kader des HSV vor jeder Saison als der stärkste genannt wird. Bislang sind zwei dritte Plätze und das jeweilige Scheitern in der Relegation herausgesprungen.
In dieser Saison muss Walter oft genug erklären, warum seine Mannschaft zu Hause die makellose Bilanz von sieben Siegen in sieben Heimspielen aufweist, aber auswärts nicht annähernd das Niveau erreicht. Da passiert es schon mal, dass er bei Pressekonferenzen bei ihm nicht genehmen Fragen gereizt reagiert. Trotz der Auswärtsschwäche sind Walter und sein Ensemble Tabellenzweiter – eine Platzierung, die 16 seiner Zweitliga-Trainerkollegen vor dem 15. Spieltag gern nehmen würden.
Das Spiel am Freitag im vom Volkspark sieben Kilometer entfernten Millerntorstadion ist für Walter kein Auswärtsspiel. «Wenn wir in Hamburg spielen, geht es nicht darum, von einem Auswärtsspiel zu reden, sondern von einem Derby», sagte Walter. «Und da ist einfach nur wichtig, dass man Emotionen und Willen zeigt – und trotzdem einen kühlen Kopf bewahrt.»