Beim Spaziergang am Bondi Beach nahe Sydney schaltete Merle Frohms am freien Tag der deutschen WM-Fußballerinnen in Australien ab.
Die Ruhe vor dem Sturm – für eine Torhüterin trifft dieser Ausdruck besonders zu. Auf die Stammkeeperin könnte im zweiten Gruppenspiel des DFB-Teams gegen Kolumbien an diesem Sonntag (11.30 Uhr MESZ/ARD) so einiges zurollen. «Ich werde mich wie immer darauf einstellen. Uns wird nichts geschenkt», sagte die 28 Jahre alte Wolfsburgerin. «Uns erwartet ein sehr körperliches, ein sehr umkämpftes Spiel, mit schnellen Spielerinnen vorn drin, die sehr zielstrebig sind.»
Beim 6:0-Auftaktsieg in Melbourne gegen Marokko bekam Frohms nicht besonders viel zu tun – und musste sich im australischen Winter während der Partie selbst warmhalten. «Das ist mittlerweile so ein bisschen mein Ritual geworden: Dass ich hinten ein paar Bahnen mache, wenn wir vorn einen Eckball haben. Einfach auch, um im Spiel zu bleiben und nicht aus der kalten Hose zu starten, falls mal eine Aktion kommen sollte.»
Bis zum EM-Halbfinale ohne Gegentor
Das Vertrauen ihrer Kolleginnen in Frohms ist fast schon in Stein gemeißelt. «Merle ist unsere Nummer 1», sagte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg vor der EM 2022 in England. Dabei ist es auch geblieben. Der Weg der 1,75 Meter großen Torfrau dorthin war kein einfacher: Die aus Celle stammende Fußballerin begann früh beim VfL Wolfsburg, dort aber war lange Almuth Schult gesetzt. Mit einer klugen Karriereplanung und den Umwegen über den SC Freiburg und Eintracht Frankfurt landete Frohms 2022 wieder beim VW-Club.
Bei der Europameisterschaft blieb sie bis zum 2:1-Sieg im Halbfinale gegen Frankreich ohne Gegentor – vier Jahre nach ihrem Debüt in der DFB-Auswahl «Die Kleine hat keine Angst, die spielt gut mit und hat einen guten Fuß», sagte der damalige Nationaltrainer Horst Hrubesch. Tolle Reflexe, Besonnenheit und eine große Sprungkraft zählen ebenfalls zu ihren Stärken.
«Die Entwicklung, die Merle genommen hat, ist wirklich enorm. Sie ist noch mehr eine reife Spielerin geworden, sehr ruhig und klar», sagte Abwehrspielerin Sara Doorsoun im DFB-Quartier in Wyong. «Zu wissen, dass sie hinter uns allen steht, gibt der Mannschaft wirklich enorm viel Sicherheit. Sie ist eine überragende Torhüterin.» In den vergangenen Jahren sei bei Frohms noch mehr internationale Erfahrung dazugekommen. «Sie ist sehr lautstark, übernimmt gerne das Kommando», ergänzte Doorsoun. Das allerdings musste Frohms erst lernen, Voss-Tecklenburg hatte sie dazu immer wieder aufgefordert.
Aus dem Schatten von Almuth Schult ist die 41-fache Nationalspielerin längst getreten. Ihr erstes WM-Spiel war aber etwas ganz Besonderes, wie man ihr vor dem Anpfiff gegen Marokko kurz ansah. «Ich weiß, dass ich einfach am besten performe und mich am besten aufs Spiel einstelle, wenn ich konzentriert und fokussiert bin und möglichst wenig Emotionen zulasse», erklärte sie später lächelnd. «Aber bei der Hymne ist es dann doch mal über mich gekommen. Da habe ich zugelassen, mal den Moment zu genießen, die Atmosphäre aufzunehmen. Das war schon ein kleiner Moment, wo ich auch mal stolz auf mich war.»
«Man wird auch nicht alles verhindern können»
Von einer neuen Turnierserie ohne Gegentor will Frohms erst mal nichts wissen. «Wir wollen Siege feiern, wir wollen Punkte holen. Wenn am Ende da die Null steht, dann freut mich das natürlich. Aber man wird auch nicht alles verhindern können.» Die Null am Ende einer Weltmeisterschaft nach sechs Spielen – das schaffte als erste Nadine Angerer 2007 in China beim deutschen Triumph. Beim WM-Titel vier Jahre zuvor stand noch Silke Rottenberg zwischen den Pfosten – auch eine, die die Tradition der deutschen Torfrauen prägte.