Der Vergleich der Heim-WM 2006 mit der EM 2024 in Deutschland in einem Jahr ist dem Sportmanagement-Experten Christoph Breuer zufolge schwierig.
«Die politisch-gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind natürlich andere als 2006», sagte der Kölner Universitätsprofessor der Deutschen Presse-Agentur. «Wissenschaftlich gesprochen ist der Stimulus nicht der gleiche, und auch der Organismus beziehungsweise die Gesellschaft, auf den der Stimulus trifft, nicht der/die Gleiche, sodass kaum gleiche Effekte erwartet werden können.»
An diesem Mittwoch, exakt ein Jahr vor dem EM-Eröffnungsspiel in München, trifft sich eine Delegation der EM-Organisatoren um Philipp Lahm in Berlin mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Die Erwartungen an das Turnier vonseiten der Politik und des Deutschen Fußball-Bundes sind groß. Die Heim-WM 2006 ging trotz der später bekannt gewordenen WM-Affäre um ungeklärte Millionen-Zahlungen als erfolgreiches «Sommermärchen» in die deutsche Sport-Geschichte ein.
2006: tolle Organisation, sportlicher Erfolg und klasse Wetter
«Für den 2006er-Erfolg waren drei Faktoren in Kombination verantwortlich: tolle Organisation, sportlicher Erfolg und klasse Wetter», sagte Breuer, Leiter des Instituts für Sportökonomie und Sportmanagement an der Deutschen Sporthochschule Köln. «Es ist somit zunächst einmal zu prüfen, ob diese Faktoren wieder gegeben sind. Am unsichersten dürfte der sportliche Erfolg sein, ohne den sich einige Wirkungen kaum einstellen dürften.»
Aus der Forschung sei bekannt, «dass gesellschaftliche Effekte zudem gemanagt werden müssen, wenn diese nicht dem Zufall überlassen werden sollen», sagte der Experte, der dabei «einzelne gute Ansätze» sieht, in den Ausrichterstädten beispielsweise Vereine oder das Ehrenamt zu fördern. «Dies ist sehr zu begrüßen. Die Schwierigkeit wird sein, hier nachhaltige Wirkungen zu erzeugen, die auch dann noch vorhanden sind, wenn die Sonderfinanzierung im Rahmen der Euro ausgelaufen ist», sagte Breuer.
Grundsätzlich liege in der Ausrichtung einer WM oder EM ein «enormes Potenzial, das Image eines Landes zu verändern und auch nach innen zu wirken. Trotz aller Kritik hat ja selbst die WM in Katar das globale Image Katars eher positiv beeinflusst», sagte Breuer. Die Forschung, auch zu Olympischen Spielen, zeige «aber auch klar, dass viele politische Hoffnungen auf gesellschaftliche Wirkungen überhöht sind und einer empirischen Prüfung nicht standhalten».