Eigentlich ist es undenkbar. Wie einst bei Bastian Schweinsteiger, der den FC Bayern im Spätherbst seiner Münchner Weltmeister-Karriere dann doch noch nach 17 Jahren verließ.
Aber Thomas Müller in einem anderen Vereinstrikot als dem des FC Bayern? Für die Münchner Fans ist das unvorstellbar – und für Bayern-Chef Oliver Kahn auch.
Jedenfalls konterte der Vorstandsvorsitzende die Müller angedichteten Gedankenspiele um einen Vereinswechsel im Sommer mit Worten, die keinen Spielraum lassen. «Das wird nicht passieren», antwortete Kahn in der «Sport Bild» (Mittwoch) angesprochen auf ein Szenario, dass der unter Trainer Thomas Tuchel gerade zur Teilzeitkraft schrumpfende Ur-Bayer Müller am Saisonende zu ihm kommen könnte, um seinen Abschied anzukündigen.
«Unheimlich wichtig»
«Wenn dieser Fall mal eintreten sollte, würde ich ihm das mit aller Deutlichkeit ausreden», sagte Kahn. «Thomas ist fit, nie verletzt und unheimlich charakterstark. Er ist für das ganze Gebilde unheimlich wichtig. Ich bin mir sicher: Thomas wird noch sehr viele Spiele für uns machen», sagte Kahn. Die Frage aber lautet: Ist sich Müller da auch so sicher?
Der 33-Jährige reagierte am Mittwoch belustigt auf Spekulationen um einen vorzeitigen Bayern-Abschied. «Wenn du Zeitung lesen könntest King D’avie…», schrieb Müller zu einem Bild, das er auf Instagram veröffentlichte. Lachend hockt er neben King D’avie, einem der Pferde von ihm und seiner Frau Lisa. Er garnierte das noch mit den vielsagenden Hashtags #jetztwirdsdannlangsamwild und #vollerfokusaufdieschale sowie #nurderfcb.
Im Saisonendspurt werden in München viele Personalien und Zukunftsszenarien diskutiert. Bleibt Kahn der Boss? Welche Fehler werden Sportvorstand Hasan Salihamidzic angelastet? Und welcher Mittelstürmer wird für viel Geld gekauft? Und jetzt auch noch Müllers Abschied?
Laut «Sport Bild» will der 33-Jährige unbedingt bis 2024 Profi-Fußballer bleiben. Und das sicherlich nicht als Teilzeitkraft und Mitläufer. Müller ist unter Tuchel jedoch nicht mehr gesetzt, jedenfalls nicht zu Spielbeginn. «Alle Spiele sind Thomas-Müller-Spiele», sagte der Trainer auch am vergangenen Wochenende nach dem 2:1 in Bremen, bei dem Müller zum nun schon wiederholten Mal lediglich Ersatzspieler war.
Mit 33 ehrgeizig wie eh und je
Die Interviewzone meidet Vielredner Müller im Stadion gerade lieber. Seine Rolle meistert er freilich im Sinne des letzten Saisonziels, dem erfolgreichen Meisterkampf mit Dortmund, trotzdem mit Bravour. Sein Vertrag läuft bis 2024. Müller ist mit den Bayern elfmal Meister und zweimal Champions-League-Sieger geworden. Und auch mit 33 ist er ehrgeizig wie eh und je. Ähnlich wie Manuel Neuer (37), der nach seinem Beinbruch unbedingt noch mal als Nummer 1 ins Bayern-Tor zurückkehren will.
Oder wie einst Schweinsteiger, wie Müller ein Bayern-Eigengewächs, der den Club aber im Sommer 2015 trotzdem überraschend quasi über Nacht Richtung Manchester United verließ. Unter Pep Guardiola war der damals 31 Jahre alte Schweinsteiger keine Fixkraft mehr.
Tuchel weiß um die Brisanz des Müller-Themas, das er moderieren muss. Kein Interview, keine Pressekonferenz vergeht, in der er nicht zu Müller befragt wird. «Ich habe Verständnis für eine Frage, ein bisschen weniger Verständnis habe ich für 100 Fragen am Spieltag», sagte Tuchel am Wochenende in Bremen, wo er Müllers nächsten Joker-Einsatz ausführlich lobte: «Thomas hatte eine gute Energie. Wie sich Thomas verhält, wie top professionell er trainiert und welchen Einfluss er in der Mannschaft hat, ist top.»
Tuchel: «Harte Entscheidungen muss es geben»
Tuchel tut sich zunehmend schwer damit zu begründen, welche Spiele und welche Gegner «in das Stärkenbuch von Thomas Müller geschrieben» sind. «Harte Entscheidungen muss es geben», sagte er in Bremen. Im Herbst 2019 trug sich Müller schon einmal mit echten Wechselgedanken, als ihn der damalige Bayern-Coach Niko Kovac zum Notnagel degradiert hatte. Kovac musste kurz darauf gehen, Co-Trainer Hansi Flick übernahm. Flick machte Müller auf dem Weg zum Triple 2020 zu seinem verlängerten Arm auf dem Platz.
Der Start unter Tuchel verlief ähnlich verheißungsvoll für Müller. Bei Tuchels 4:2-Premiere gegen Dortmund war er als zweifacher Torschütze der Mann des Spiels. Doch dann saß der Kapitän gegen Manchester City zweimal auf der Bank. Wie plant Tuchel für die kommende Saison? Die Zukunft – und auch schon die Gegenwart – im offensiven Zentrum des Bayern-Spiels gehört längst Jamal Musiala. Der 20-Jährige wird im Verein als künftiger Weltstar gesehen. Für Müller sollte sich trotzdem eine tragende Rolle finden lassen. In 658 Pflichtspielen lief der Ur-Bayer bislang im Bayern-Trikot auf. Kaum vorstellbar, dass nur noch drei Einsätze gegen Schalke, Leipzig und auswärts in Köln dazu kommen könnten.