Rudi Völler fieberte den ganzen Abend sowohl mit Bayer Leverkusen als auch der AS Rom mit. Und als um 23.44 Uhr das Duell seiner beiden Herzensclubs im Halbfinale der Europa League perfekt war, musste der Sportdirektor des DFB erst mal schmunzeln. «Das Unausweichliche ist passiert», sagte Völler der Deutschen Presse-Agentur: «Das werden ganz sicher zwei wunderbare Spiele.»
Die Völler beide im Stadion erleben wird. Noch am Abend signalisierte er Bayer Leverkusens Club-Chef Fernando Carro und Simon Rolfes, seinem Nachfolger als Sportchef seit letztem Sommer, dass er auch mit zum Hinspiel bei der AS Rom am 11. Mai reisen wird.
Bei Leverkusens Heimspielen sitzt Völler, der sich seit seinen fünf Jahren als Roma-Stürmer von 1987 bis 1992 als «halber Römer» bezeichnet, eh meist auf der Tribüne. So auch beim 1:1 im Viertelfinal-Hinspiel gegen Union Saint-Gilloise an seinem 63. Geburtstag.
«Zwei 50:50-Spiele»
Und seine Sympathien werden klar verteilt sein. «Bei all meiner Nähe zu Rom ist klar, dass mein Herz für Bayer Leverkusen schlägt», sagte er: «Das ist mein Club, bei dem ich nach meiner DFB-Zeit auch wieder in den Aufsichtsrat zurückgehen werde.» Die Partien gegen Rom seien «zwei 50:50-Spiele, bei denen die Tagesform entscheiden wird». Trainer José Mourinho habe bei der Roma «große Euphorie entfacht».
Doch die starke Leistung der Leverkusener beim 4:1 im Rückspiel macht Völler Mut, dass Bayer den ersten Titel seit dem Gewinn DFB-Pokals 1993 gewinnen kann. «Wir haben es einfach auch verdient, mal wieder einen Titel zu gewinnen», sagte er – und nutzte bewusst noch das Wort «wir». «Vor drei Jahren waren wir im Viertelfinale und sind leider an Inter Mailand gescheitert», sagte der Weltmeister von 1990, der fast drei Jahrzehnte für Bayer arbeitete: «Jetzt hast du diesen Lauf, die Mannschaft hat ja schon in den letzten Wochen wunderbaren Fußball gespielt.»
Deutschlands letzte Titel-Hoffnung
Und so ist Bayer nebenbei nach dem Aus des FC Bayern und der sechs anderen Bundesligisten in den drei Europacups Deutschlands letzte Titel-Hoffnung. Kapitän Lukas Hradecky sprach deshalb mit funkelnden Augen von einem «geilen Abenteuer». Und Rolfes hofft auf dem Weg zum Titel auf Unterstützung aller Clubs und Fans. «Es muss uns niemand danken. Aber es wäre schön, wenn uns alle unterstützen», sagte der Ex-Nationalspieler: «Wir hoffen, dass national alle hinter uns stehen, damit wir auch die nächste Runde gewinnen.»
Nach Eintracht Frankfurt im Vorjahr kann also erneut ein deutscher Club in dem Wettbewerb triumphieren. Auf die Frage, wie real der Traum vom Titel sei, antwortete der seit Wochen überragende Abwehrchef Jonathan Tah knapp und selbstbewusst: «Realer als aktuell geht’s glaub‘ ich nicht.»
In jedem Fall träumen die Leverkusener spätestens jetzt vom Endspiel am 31. Mai in Budapest. «Das Ziel ist ganz klar, ins Finale zu kommen», stellte Rolfes klar. Und Hradecky, mit 33 einer der Erfahrenen und schon EM-Teilnehmer und DFB-Pokalsieger mit Frankfurt, antwortete auf die Frage, wo er den bisherigen Erfolg in seiner Karriere einstufen würde, lachend: «Frag mich in Budapest noch mal.»
»Diese Chance ist super»
Erst einmal wurde der erste Halbfinal-Einzug in Europa seit 21 Jahren auf der dreistündigen Busfahrt nach Hause ausgiebig gefeiert. «Xabi ist da ganz entspannt. Er war auch mal Spieler», sagte Hradecky auf die Frage nach dem erlaubten Bierkonsum: «Jeder muss wissen, wie viel er trinken kann. Aber fünf sind sicher erlaubt.» Alonso, der das Team im Oktober als Vorletzter der Bundesliga übernahm und nun zwölf Pflichtspiele in Folge nicht verlor, sprach noch nicht über das Endspiel. «Jetzt haben wir noch eine Reise vor uns. Wohin sie uns führt, werden wir sehen», sagte er: «Aber diese Chance ist super.»
Hradexcky dachte auch an Alonsos Vorgänger Gerardo Seoane, denn «es tut mir immer noch leid, dass Gerardo gehen musste. Aber ich habe vorhin zu Jona gesagt: Spul mal sechs Monate zurück, wo wir da waren und welche Entwicklung die Mannschaft genommen hat.» Das sei auch das Verdienst von Alonso: «Es ist nicht nur der Trainer. Aber Xabi hat einen sehr guten Job gemacht.»