Für Vereinsberater Matthias Sammer war es ein «handfester Skandal», für Heißsporn Emre Can «die Schuld des Schiris» und für Trainer Edin Terzic «eine sehr harte Entscheidung».
Der bittere Knockout im Achtelfinale der Fußball-Champions-League mit viel diskutierten Elfmeter-Entscheidungen vertrieb bei Borussia Dortmund die gute Stimmung – ausgerechnet vor dem brisanten Revierderby am Samstag auf Schalke.
Auch am Tag danach war der Ärger noch nicht verfolgen. Mit finsteren Mienen bestiegen die Dortmunder Profis im tristen Schneeregen von London das Flugzeug und trauerten der verpassten Chance auf das Viertelfinale nach. «Gestern ist eine Menge zusammenkommen. In der Summe fand ich das extrem hart. Diese Dinge waren für uns emotional. Da ist es okay, dass man sich im Nachgang darüber aufregt», befand Sportdirektor Sebastian Kehl nach der Landung in Dortmund.
Starke Kritik am Schiedsrichter Makkelie
Für das 0:2 (0:1) beim FC Chelsea nach zuvor zehn Pflichtspielsiegen in Serie war der Schuldige aus BVB-Sicht schnell gefunden. Vor allem Can geriet nach dem Abpfiff mächtig in Wallung. «Wir spielen hier an der Stamford Bridge, vielleicht hat der Schiri Angst vor den Fans, aber dann soll die UEFA einen anderen schicken», klagte der Defensivallrounder. Nicht minder verärgert kommentierte TV-Experte Sammer beim Internet-Sender Amazon Prime Video die Schlüsselszene des Spiels: «Der Elfmeter und die Wiederholung. Das ist ein handfester Skandal. Mir braucht auch kein Regelhüter kommen. Makkelie ist ein sehr, sehr arroganter Mensch.»
Der Grund des Ärgers: Nach einer Hereingabe von Ben Chilwell war der Ball Außenverteidiger Marius Wolf an den leicht abgespreizten Arm gesprungen, was der niederländische Referee erst nach Intervention des Video-Assistenten mit einem Elfmeter ahndete. Havertz setzte den ersten Schuss an den Innenpfosten, durfte aber noch mal antreten, weil sich einige Spieler zu früh in den Strafraum bewegt hatten.
Aus Sicht von DFB-Schiedsrichterlehrwart Lutz Wagner hätte es keine Wiederholung gegeben dürfen. Wenn der Schiedsrichter nicht erkenne, dass jemand bei der Ausführung in den Strafraum laufe, gebe es keinen Grund für den Video-Assistenten (VAR) einzugreifen. «Er soll nur bei klaren Dingen einschreiten. Das heißt, wenn derjenige, der zu früh reinläuft, entweder ein Tor schießt oder den Schützen am Torschuss hindert», sagte Wagner der Deutsche Presse-Agentur.
Pechvogel Wolf war sich keiner Schuld bewusst: «Alles in allem ist das sehr ärgerlich. Es ist keine Absicht, ich gehe nicht zum Ball, habe meinen Arm am Körper und drehe mich noch weg.» Das fehlende Fingerspitzengefühl des Referees bewertete er ähnlich kritisch wie Sammer: «Er hat nicht mit sich reden lassen. Ich wollte wenigstens, dass er es mir erklärt. Vor allem bei solch einer Entscheidung.»
Dass Makkelie bei seiner Entscheidung, den Elfmeter wiederholen zu lassen, nach Einschätzung von Schiri-Experte Wolfgang Stark «regeltechnisch konform» handelte, ging in der allgemeinen Aufregung unter. Überhaupt taugte die Schiedsrichter-Schelte nur bedingt zur Erklärung der ernüchternden Vorstellung, die den Bundesliga-Zweiten um Zusatzeinnahmen von über zehn Millionen Euro brachte. Schließlich bot die Borussia vor allem in der Offensive eine mutlose Vorstellung.
Schlotterbeck: «Es wäre mehr möglich gewesen»
So hatte Raheem Sterling (44.) mit seinem Treffer bereits kurz vor der Pause das 1:0 der Dortmunder aus dem Hinspiel egalisiert. «Wir waren in der ersten Halbzeit einfach zu passiv. Im vorderen Drittel hat uns Durchschlagskraft gefehlt. Wenn wir ehrlich zu uns sind, können wir mit dem 0:1 zur Pause froh sein», bekannte Innenverteidiger Nico Schlotterbeck und brachte das Dilemma auf den Punkt: «Es wäre mehr möglich gewesen.»
Alle Beteiligten hoffen, dass sich der Rückschlag von London nicht negativ auf den Titelkampf in der Bundesliga auswirkt. Zumal sich der zuletzt überragende BVB-Profi Julian Brandt bereits in der dritten Minute der Partie eine Verletzung zuzog und vorerst auszufallen droht. Ein Einsatz gegen Schalke erscheint nach Einschätzung von Kehl höchst unwahrscheinlich: «Dass er nach ein paar Minuten raus musste, war ein Schock», klagte der Sportdirektor.
Gleichwohl will der BVB seine imposante Aufholjagd fortsetzen und den mittlerweile punktgleichen Spitzenreiter FC Bayern München weiter unter Druck setzen. Ein Sieg beim Erzrivalen aus Gelsenkirchen könnte helfen, die in London aufgekommenen Bedenken schnell zu vertreiben. Wolf gab die Richtung vor: «Heute ist die Enttäuschung groß. Aber von morgen an geht der Fokus voll auf Schalke. Wir wollen das Spiel unbedingt gewinnen.» Mit entschlossenem Blick fügte der Abwehrspieler hinzu: «Es ist ein Derby, es ist das Derby.»
Kehl hofft auf eine Trotzreaktion des Teams: «Das Derby kommt genau im richtigen Moment. Es ist gut, nach einer solchen Enttäuschung ein solches Spiel vor der Brust zu haben.»