Kein Marco Reus, kein Mats Hummels – die BVB-Matchwinner im Jahr 2023 sind andere. Bei Borussia Dortmund vollzieht sich derzeit eine bemerkenswerte Wachablösung, langjährige Leistungsträger sind in entscheidenden Spielen nicht mehr gefragt.
Während Reus und Hummels beim leidenschaftlichen Dortmunder 1:0 (0:0)-Sieg im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League am Mittwoch gegen den FC Chelsea keine Sekunde zum Einsatz kamen, wurden Fußballer gefeiert, die monate- oder jahrelang schwer kritisiert worden waren: Emre Can, Julian Brandt und Matchwinner Karim Adeyemi.
«Jetzt ist er endlich angekommen», sagte BVB-Coach Edin Terzic nach Adeyemis erfolgreichem Solo-Lauf über knapp 70 Meter zum Siegtreffer in der 63. Minute. «Wir hoffen einfach, dass es nicht nur ein Knoten ist, der geplatzt ist, sondern dass es eine konstante Leistung von ihm ist.» Der Nationalstürmer, beim BVB zuvor monatelang glücklos seit seinem Wechsel im vergangenen Sommer von Red Bull Salzburg, kämpfte wie das gesamte Dortmunder Team gegen die mit 600 Millionen Euro aufgemotzte Luxus-Truppe von Nationalmannschaftskollege Kai Havertz aufopferungsvoll.
Weltmeister zum Statiste degradiert
Nicht nur in der Szene des Spiels degradierte Adeyemi Weltmeister und 121-Millionen-Euro-Mann Enzo Fernández zum Statisten. «Ich bin heute einfach nur glücklich», stammelte der 21-Jährige, der durchgängig «Gänsehaut» verspürte. Trotz Adeyemis überschaubaren Leistungen in der ersten Saisonhälfte stärkte Terzic das Sturm-Talent und wird nun belohnt. «Er macht es aktuell richtig, richtig gut», sagte Terzic und lobt Adeyemis Willen nach der verkorksten deutschen WM in Katar. «Er hat sich sehr fleißig nach der WM zurückgemeldet. Da hat er richtig Gas gegeben.»
Dies gilt auch für Can und Brandt, die bei der aktuellen Serie von sieben Pflichtspielsiegen der Dortmunder elementare Stützen sind, zuvor lange Zeit aber bestenfalls Mitläufer waren. «Es ist auch ein bisschen was passiert mit ihm», sagte Sportchef Sebastian Kehl über die Explosion von Adeyemi und fügte mit Blick auf Spieler wie Can und Brandt hinzu: «Genau wie bei dem ein oder anderen. Das ist für ihn und für uns sehr, sehr wichtig.»
Denn mit Can als Zweikampf-Monster und Brandt, der endlich auch die Defensivarbeit entdeckt, scheinen die Dortmunder nun auch für das gewappnet zu sein, was die letzten Jahre von ihnen erwartet wurde, wozu sie aber in entscheidenden Momenten nie imstande waren: höhere Aufgaben in der Liga und in Europa. «Aktuell sieht es ganz gut aus», meinte auch Trainer Terzic.
Durch harte Arbeit zum Sieg
Schon beim Pokalsieg vor einer Woche in Bochum und nun auch wieder gegen Chelsea überzeugten die Westfalen mit harter Arbeit. Die Mentalitätsfrage stellt aktuell niemand. «Wir haben bestimmt schon bessere Spiele gemacht. Aber das Engagement der Mannschaft, der Zusammenhalt, das war herausragend gut. Wir haben uns gewehrt und den richtigen Kampfgeist gehabt», frohlockte Kehl.
Es ist mehr als ein Zeichen, dass für diesen Wandel derzeit nicht die Routiniers Reus (33) und Hummels (34) stehen, deren Verträge im Sommer auslaufen. Terzic war bemüht, den langjährigen BVB-Größen zu schmeicheln – bloß keine Debatte entfachen, wo es gerade so gut läuft. «Es tut mir natürlich brutal leid. Aber es geht nicht nur um Marco. Wir hatten noch andere Jungs, die nicht eingewechselt wurden», sagte Terzic beim Internetsender DAZN insbesondere über seinen Kapitän.
Der Coach weiß, dass auch in dieser Saison noch Phasen kommen, in denen beide noch wichtig werden. Erwartet wird, dass Reus bereits am Sonntag in der Liga wieder eine Reaktion zeigen und sein Selbstbewusstsein stärken kann. Gegen den Tabellenvorletzten Hertha BSC. Gegen die Millionen-Truppe Chelsea auf der Bühne Champions League war er nicht gefragt. Dies darf als deutlicher Fingerzeig für die Zukunft gewertet werden.