Von den Rängen gab es Pfiffe, Trainer Steffen Baumgart blickte grimmig drein und nahm einen tiefen Frustschluck aus der Wasserflasche: Das Europacup-Comeback des 1. FC Köln ist gründlich missraten.
Der Fußball-Bundesligist muss nach dem 1:2 (1:2) im Playoff-Hinspiel zu Hause gegen den Fehérvár FC vor allem wegen einer 70-minütigen Unterzahl um den Einzug in die Gruppenphase der Conference League bangen. Im Rückspiel in einer Woche in Ungarn steht der FC unter Druck.
Das 2:1 für Fehérvár, das vom deutschen Trainer Michael Boris betreut wird, erzielte ausgerechnet der langjährige Herthaner Palkó Dardái (40.), Sohn von Ex-Hertha-Coach Pal Dardái. Die Kölner, die schon im DFB-Pokal in der ersten Runde scheiterten, sind auf die Mehreinnahmen von rund zehn Millionen in der Gruppenphase finanziell eigentlich angewiesen.
«Durch den Platzverweis wurden wir rausgebracht, und dann wurden wir zweimal bitter bestraft«, sagte Thomas Kessler, Leiter Lizenzbereich beim FC: «Aber es ist erst Halbzeit, wir haben noch ein Spiel in Ungarn und ich bin guter Dinge, dass wir das noch drehen.» Auch Kapitän Jonas Hector sagte bei RTL: «Da ist auf jeden Fall was drin nächste Woche.»
Die Ungarn erwiesen sich als zäh und leidenschaftlich
Beim letztlich verpatzten Europacup-Debüt von Kölns Trainer Steffen Baumgart als Coach war es ein schwacher Trost, dass FC-Stürmer Florian Dietz sein persönliches Fußball-Märchen mit dem Führungstor (14.) fortschrieb. Vor anderthalb Wochen noch ein 24 Jahre alter Regionalliga-Spieler ohne Profi-Einsatz, markierte der nach dem Verkauf von Anthony Modeste an Borussia Dortmund plötzlich in die Startelf beförderte Dietz elf Tage nach seinem Profi-Debüt und fünf Tage nach seinem ersten Bundesliga-Tor seinen Premieren-Treffer im Europacup. Ab der 20. Minute spielte Köln aber zu zehnt, nachdem Abwehrspieler Julian Chabot nach einer Notbremse Dárdai zurecht Rot sah. Budu Zivzivadze köpfte den Ausgleich (32.).
Die ganz in Rot gekleideten FC-Fans hatten ihr Team vor dem ersten Europacup-Spiel seit 1715 Tagen mit einer Choreo dazu aufgefordert, sie sollten «Europa auffressen». Und die FC-Profis wirkten von der ersten Sekunde an entschlossen und hochmotiviert. Die Ungarn, von Boris mit einer defensiven Fünferkette ausgerichtet, erwiesen sich aber als zäh und leidenschaftlich verteidigender Gegner.
Nach zehn Minuten hatte der starke Dejan Ljubicic die Führung auf dem Kopf, erwischte den Ball nach Flanke von Jan Thielmann aber nicht richtig. Zwei Minuten später schüttelte Dietz nach schönem Pass von Ljubicic zwei Gegner ab und schob den Ball eiskalt ein.
Doch sechs Minuten später dezimierten sich die Kölner, als Chabot Dardái 20 Meter vor dem Tor als letzter Mann foulte. Obwohl der Platzverweis durch Schiedsrichter Tiago Lopes berechtigt war, schien Chabot überrascht. Der Abwehrspieler sah zunächst gar nicht hin und blickte dann völlig entgeistert, als er die Rote Karte sah.
Baumgart, der auch im Europacup nicht im Anzug, sondern erst im roten, dann im weißen Shirt an der Seitenlinie stand, wechselte nicht. Er zog Hector nach dem Platzverweis vom zentralen Mittelfeld auf die angestammte Linksverteidiger-Position zurück und ließ im 4-2-2-1 agieren – doch Zivzivadze köpfte nach herrlicher Flanke von Loic Nego den Ausgleich. Und Dardái legte noch vor der Pause mit einem spektakulären Schrägschuss unter die Latte nach.
Erst nach etwa einer Stunde berappelten sich die Kölner wieder und wurden druckvoller, der eingewechselte Linton Maina traf den Pfosten (70.).